As Time Goes By

Quickies

Sarah

Die Galerie liegt zwischen einem Antiquitätenladen und einem kleinen Café. „Tidemarks Gallery“ steht auf einem abgewetzten Holzschild, das sanft in der Brise schaukelt. Durch das große Fenster sehe ich Gemälde, die Licht einfangen und zurückwerfen. Ohne nachzudenken, drücke ich die Tür auf. Eine Glocke bimmelt leise. Der Raum riecht nach Leinwand, Farbe und einer Spur von Räucherstäbchen. Nicht aufdringlich, nur ein Hauch, der sich mit dem Salzgeruch vermischt, den ich noch in der Nase habe. An den weiß getünchten Wänden hängen Gemälde des Meeres, aber nicht die typischen Postkartenmotive, die Touristen lieben. Diese hier zeigen das Meer in all seinen Stimmungen – wütend, sanft, geheimnisvoll. Ich bleibe vor einem großformatigen Bild stehen. Es zeigt eine Welle, kurz vor dem Brechen. Der Künstler hat den Moment eingefangen, in dem sich das Wasser aufbäumt, durchscheinend und massiv zugleich. Ich spüre fast das Donnern in meinen Ohren. „Die meisten Leute starren mindestens fünf Minuten auf dieses Bild, bevor sie was sagen.“ Die Stimme hinter mir klingt amüsiert. Weiterlesen

Emily

Sie bemerkt mich erst, als ich nur noch etwa zwanzig Meter entfernt bin. Hebt den Kopf, schirmt die Augen mit der Hand ab. Dann winkt sie kurz, so ein halbes Heben der Hand. Ich winke zurück, fühle mich plötzlich verlegen. Was mache ich hier eigentlich? „Guten Morgen“, ruft sie rüber. Ihre Stimme ist klar, trägt über das Rauschen der Wellen. Weiterlesen

Begegnung mit Juliette

„Entschuldigen Sie, darf ich?“ Eine Stimme unterbrach meine Gedanken. Ich blickte auf und sah sie zum ersten Mal. Sie hatte einen Stapel von Skizzenbüchern unter dem Arm und einen unaufdringlichen Charme, der mich sofort neugierig machte. Ihre Augen waren dunkel, voller Leben, und ein wenig herausfordernd. „Hier scheint die Sonne gerade perfekt zu sein,“ erklärte sie und deutete auf den Stuhl gegenüber. Ich nickte und machte eine einladende Geste. „Selbstverständlich.“ „Juliette,“ stellte sie sich vor, als sie sich setzte. Weiterlesen

Der Schatten von Bernadette

Das Au Lapin Agile hatte an diesem Abend etwas Geheimnisvolles, fast Unheimliches. Die Wände, behangen mit verblassten Fotografien und Gemälden, wirkten wie Augenpaare, die jede Bewegung im Raum still beobachteten. Kerzenlicht flackerte über die Tische, und der schwere Duft von Rotwein und altem Holz füllte die Luft. Die Atmosphäre war gemächlich, ein angenehmes Murmeln lag über dem Raum – bis sie eintrat.   Ich bemerkte sie sofort. Sie war nicht laut, nein, ihr Auftreten war leise, aber es zog die Blicke an, wie eine plötzliche Windböe, die durch einen stillen Raum fegt. Ihre Silhouette zeichnete sich gegen das warme Licht der Eingangstür ab, eine schlanke Gestalt mit einem schwarzen Mantel, der wie ein Schatten an ihr herabfloss. Ihre Bewegungen waren geschmeidig, fast katzenhaft, und ihre Augen – dunkel, unergründlich – suchten den Raum ab, bevor sie sich wie zufällig auf mich legten.

Weiterlesen

Der ewige Regen

Der Regen hört nie auf. Er fällt wie ein endloser Vorhang aus kaltem Wasser, der die Welt verschluckt hat. Die Straßen von London sind Flüsse, ihre Strömungen tragen Abfall, Wracks und die letzten Reste einer vergessenen Zivilisation fort. Wir leben auf dem Dach des Shard, das wie eine einsame Insel aus dem Wasser ragt. Es ist unser Zufluchtsort, aber es fühlt sich mehr wie ein Gefängnis an. Weiterlesen

Die Stadt unter der Erde

Die Luft in unserem Bunker riecht nach Schimmel und Angst. Sie ist schwer, fast greifbar, als würde sie sich in unseren Lungen festsetzen und uns daran erinnern, dass wir hier unten nicht wirklich leben – wir überleben nur. Der Gestank kommt von den Pilzen, die wir auf alten Büchern züchten. Die Seiten, einst voller Geschichten und Wissen, sind jetzt von feuchten, weißen Fäden überzogen, die wie Spinnweben aussehen. Manchmal frage ich mich, ob die Bücher uns verfluchen, weil wir ihre Worte zerstört haben, um zu überleben. Weiterlesen

Die wandernde Wüste

Er tritt neben mich, seine pflanzliche Haut leuchtet sanft im Mondlicht. „Es ist kein Feind der Menschheit. Es ist kein Feind von irgendetwas Lebendem. Es will nur die Verbindung wiederherstellen, die verlorenging, als das Leben begann, sich in einzelne, isolierte Formen aufzuspalten." „Aber es verändert uns", sage ich. „Es nimmt uns, was wir sind." Weiterlesen

Der vertikale Wald

Ich klettere über die verrosteten Feuerleitern des letzten Wolkenkratzers in Berlin. Der Wind zerrt an meiner Jacke, trägt den Geruch von verbranntem Plastik und verrrottenden Pflanzen mit sich. Unter mir breitet sich die Stadt aus wie ein Grab aus Beton und Stahl, überwuchert von einem grotesken Teppich aus Vegetation – keine sanften Wiesen oder majestätischen Bäume, sondern fleischfressende Pflanzen mit Blättern wie Rasierklingen und Blüten, die in der Dunkelheit leuchten wie radioaktiver Abfall. Weiterlesen

Juliette

Sie sitzt am Fenster, das Morgenlicht fängt sich in ihrem Haar. Ihre Mappe liegt aufgeklappt vor ihr, darin Skizzen in aggressiven Rot- und Schwarztönen, die wie offene Wunden wirken. Als sich unsere Blicke treffen, spüre ich ein leichtes Zittern in der Magengrube. Ihre Augen sind dunkel wie der Espresso vor ihr, aber da ist ein goldener Schimmer darin, wenn das Licht sie richtig trifft. Weiterlesen

Epilog

Ich stand auf und ging zurück zum Haus. Der Hund folgte mir, ohne zu fragen.

Das Haus war leer. Und irgendwie war ich es auch. Aber vielleicht war das okay. Vielleicht musste man leer werden, bevor man etwas Neues füllen konnte. Ich schloss die Tür, ließ den Schlüssel auf den Tisch fallen und wusste, dass ich irgendwann gehen würde. Nur nicht heute. Heute gehörte mir. Weiterlesen
made by Xbyte jade heilstein einfach schnell gesund kochen einfach schnell gesund vegan Tierkommunikation