As Time Goes By

Zwischen Lichtern und Schatten

Ich wache auf, ohne wirklich wach zu sein. Mein Zimmer schwimmt in einem merkwürdigen Licht, als hätte jemand einen Filter drübergelegt. Zu warm für Januar, denke ich. Da ist dieser Geruch. Nicht von hier. Irgendwas Salziges, Fremdes. Erinnert mich an die Küste wo der Wind immer vom Meer kommt und alles durchdringt – Kleidung, Haut, sogar die Träume.Ich stehe auf und bin plötzlich nicht mehr in meinem Zimmer, sondern in einem Korridor. Lang, schmal, mit fleckigen Tapeten. Bin ich hier schon mal gewesen? Fühlt sich vertraut an, obwohl ich sicher bin, dass ich’s nicht kenne. An den Wänden hängen Bilder, die sich bewegen, wenn ich nicht direkt hinsehe. Eine Art Stop-Motion-Film im Augenwinkel. Drehe ich den Kopf, erstarren sie wieder zu stumpfen Landschaften und fremden Gesichtern.“Du bist spät dran,“ höre ich jemanden sagen, aber da ist niemand. Die Stimme klingt genervt, als hätte sie schon tausendmal dasselbe gesagt. Mir fällt ein, dass ich wirklich irgendwo sein sollte, aber ich habe keine Ahnung, wo.Am Ende des Gangs stößt eine Tür auf. Ohne Klinke, ohne dass jemand sie berührt hätte. Dahinter ein Raum, so hell, dass ich die Augen zusammenkneife. Als sich meine Pupillen angepasst haben, sehe ich, dass es eine Küche ist. Nicht meine. Am Tisch sitzt eine Gestalt, deren Gesicht ich nicht richtig erkennen kann. Es verschwimmt ständig, als würde jemand mit einem Radiergummi darüber gehen.“Setz dich,“ sagt die Gestalt und deutet auf einen Stuhl mir gegenüber. „Das Essen wird kalt.“Auf dem Tisch steht tatsächlich ein Teller mit etwas, das ich nicht identifizieren kann. Es bewegt sich leicht, pulsiert fast, als hätte es einen eigenen Herzschlag. Der Anblick dreht mir den Magen um, trotzdem setze ich mich. Merke, wie mein Körper gehorcht, während mein Kopf schreit: STEH AUF UND RENN!“Iss,“ sagt die Gestalt und schiebt mir den Teller näher.“Ich habe keinen Hunger,“ lüge ich, obwohl mein Magen in Wahrheit knurrt.“Du musst essen, um zu verstehen.“ Und plötzlich erinnere ich mich tatsächlich. An einen Sommertag in einer weißgetünchten Finca irgendwo in Andalusien. Die sengende Hitze, die selbst im Schatten der Olivenbäume noch zu spüren war. Aber das war nicht meine Erinnerung. Oder? Ich kann mich nicht erinnern, jemals dort gewesen zu sein. Trotzdem fühlt es sich so real an, so greifbar, dass ich fast die Hitze auf meiner Haut spüren kann, den Geschmack des Weins auf meiner Zunge.Ich greife nach der Gabel neben dem Teller, zögernd, widerwillig. Die Gestalt mir gegenüber nickt ermutigend. Als die Gabel das pulsierende Etwas berührt, macht es ein leises Geräusch, fast wie ein Seufzen.Plötzlich klingelt ein Telefon. Laut, durchdringend. Die Gestalt schreckt hoch, blickt sich um.“Geh nicht ran,“ sagt sie scharf. „Lass es klingeln.“Aber ich stehe schon, folge dem Klingeln wie einem Lockvogel. Es führt mich durch eine weitere Tür, die ich vorher nicht bemerkt habe. Dahinter liegt kein Raum, sondern ein weiterer Korridor, diesmal mit abblätternder grüner Farbe an den Wänden. Erinnert mich an dieses alte Krankenhaus, in dem ich mal meinen Opa besucht habe. Der Geruch ist auch ähnlich – Desinfektionsmittel und etwas Modriges darunter.Das Telefon klingelt immer noch, aber jetzt kommt es von überall und nirgendwo zugleich. Mit jedem Schritt, den ich mache, scheint es seine Position zu ändern.Eine weitere Tür öffnet sich von selbst, und ich trete in einen Raum, der aussieht wie ein altes Klassenzimmer. Holzbänke, eine Tafel, staubige Kreide. Aber keine Menschen. Nur das verdammte Telefon, das jetzt von der Lehrerpult zu kommen scheint.Als ich näher komme, sehe ich, dass es eines dieser antiken Modelle ist, schwarz, mit Wählscheibe. Ich nehme den Hörer ab, halte ihn mir zögernd ans Ohr.“Hallo?“ sage ich, und meine Stimme klingt fremd, als würde jemand anders durch meinen Mund sprechen.Statisches Rauschen antwortet mir, dann eine Stimme, die so leise ist, dass ich sie kaum verstehen kann. Sie spricht in einer Sprache, die ich nicht kenne, aber trotzdem irgendwie verstehe. Sie warnt mich. Vor was, kann ich nicht sagen, aber die Dringlichkeit ist unverkennbar.Das Klassenzimmer beginnt sich zu verändern, während ich zuhöre. Die Wände schmelzen, werden flüssig wie Wachs. Der Boden unter meinen Füßen wird weich, gibt nach, als würde ich in Treibsand sinken.Ich lege den Hörer nicht auf. Kann nicht. Meine Hand ist wie festgeklebt.“Kommst du?“ ruft die Gestalt aus der Küche. Ihre Stimme klingt jetzt anders, metallisch, unmenschlich.“Einen Moment,“ rufe ich zurück, während ich bis zu den Knöcheln im Boden versinke.Die Stimme am Telefon wird lauter, dringlicher. Jetzt verstehe ich einzelne Worte: „Raus… gefährlich… Zeit…“Die Tafel an der Wand füllt sich plötzlich mit Kreidestrichen, als würde eine unsichtbare Hand darauf schreiben. Zahlen, Gleichungen, die ich nicht verstehe. Das Licht im Raum flackert, wird dunkler, dann wieder heller. Wie ein Herzschlag. Wie eine Botschaft in Morsezeichen. Die Stimme am Telefon ist verstummt, nur statisches Rauschen bleibt.Ich schließe die Augen, konzentriere mich auf meinen Atem. Langsam ein, langsam aus. Als ich sie wieder öffne, ist alles anders.Ich stehe am Strand. Die Sonne brennt vom Himmel, das Meer glitzert wie tausend Diamanten. In der Ferne sehe ich die Umrisse Afrikas jenseits der Straße von Gibraltar. Der Wind trägt den Geruch von Salz und Sonnencreme zu mir.Ich trage Sandalen, die bei jedem Schritt im heißen Sand versinken. Menschen um mich herum lachen, reden, spielen Ball. Ganz normale Urlauber an einem ganz normalen Strand. Alles wirkt so real, so solide.Ein Ball rollt zu meinen Füßen. Ich beuge mich, um ihn aufzuheben, und als meine Finger ihn berühren, zerspringt er wie Glas. Splitter regnen zu Boden, verwandeln sich in kleine Krabben, die in alle Richtungen davonlaufen.Niemand außer mir scheint es zu bemerken. Die Menschen um mich herum machen weiter, als wäre nichts geschehen.Ich gehe zum Wasser, lasse die Wellen über meine Füße spülen. Das Wasser ist warm, fast heiß. Mit jeder Welle, die sich zurückzieht, nimmt der Sand unter meinen Füßen eine andere Farbe an. Rot, blau, gelb, grün. Wie ein Chamäleon, das nicht weiß, wohin es gehört.“Entschuldigen Sie,“ spricht mich jemand an. Ich drehe mich um, aber da ist niemand. Nur der Wind, der mit meinem Haar spielt.In der Ferne höre ich wieder das Telefon klingeln. Leise erst, dann immer lauter. Die Urlauber am Strand erstarren mitten in der Bewegung, wie in einem angehaltenen Film.Der Himmel verdunkelt sich, als würde jemand einen Dimmer herunterdrehen. Die Konturen der Landschaft verschwimmen, verlieren ihre Schärfe.Ich spüre, wie mich jemand an der Schulter rüttelt. Eine Berührung aus einer anderen Welt, die durch den Stoff meines Traums dringt.“Aufwachen,“ sagt eine Stimme, und diesmal verstehe ich sie klar und deutlich.Die Szenerie löst sich auf, zerbröselt wie trockener Sand zwischen meinen Fingern. Das Letzte, was ich sehe, ist ein kleines rotes Boot, das aufs offene Meer hinausfährt, gegen die untergehende Sonne.Dann bin ich zurück in meinem Bett, schweißgebadet, das Laken um meine Beine gewickelt wie ein Kokon.

made by Xbyte jade heilstein einfach schnell gesund kochen einfach schnell gesund vegan Tierkommunikation