As Time Goes By

Wenn du weißt, wohin du willst

Sagte mal jemand, wahrscheinlich in einem Film, den ich vergessen habe. Oder vielleicht war’s mein Vater, kurz bevor er sich in irgendeinem Kaff an der Nordsee zur Ruhe gesetzt hat. Er hatte immer solche Sprüche drauf, so groß wie die Luftblasen in seinem Bier. Ich habe das geerbt. Nicht die Sprüche, sondern diese Angewohnheit, in der Küche zu stehen, stumm auf den Kühlschrank zu starren, als würde da was drin sein, das mir Antworten gibt.

Heute war kein Bier drin. Zwei Eier, eine Tomate, ein Glas Senf. Noch ein Grund mehr, nicht daheim zu bleiben.

„Du siehst aus, als wärst du von einem Laster überrollt worden“, meinte Tine, die mir die Tür vor der Nase zuknallte. Und ich hatte mir Mühe gegeben, das alte Bandshirt nicht völlig zerknittert aussehen zu lassen. Manchmal ist Mühe einfach nicht genug.

„Und du klingst, als ob du mich nicht reingelassen hast“, rief ich zurück. Das war ihre Art. Oder meine Art, sie zu verstehen. Schwer zu sagen. Ein paar Minuten später ließ sie mich doch rein, mit einem Gesichtsausdruck, der irgendwo zwischen Genervtsein und diesem leichten Zucken im Mundwinkel lag, das ich mochte. Eine stillschweigende Verhandlung.

Die Wohnung roch nach abgestandenem Kaffee und Vanille. Immer so. Tine liebte Kerzen, die nach irgendwas rochen, das man nicht in echt haben wollte. Am Fenster stand eine halb tote Pflanze, die sie nicht wegwarf, „weil die sich noch fangen kann“. Vielleicht auch eine Metapher, aber ich fragte nie nach.

„Du wolltest was trinken?“ Ihre Stimme kam aus der Küche, wo sie mit zwei Tassen klapperte. Kein Hallo, keine Umarmung. Sie war immer so direkt. Das ist gut. Ich mag das. Es erspart einem diese sinnlosen Momente, in denen man so tut, als ob irgendwas wichtig wäre.

„Hab keinen Bock auf Kaffee.“

„Das ist kein Kaffee.“

„Und was dann?“

„Wein.“

Ich musste grinsen. „Mittagswein?“

„Warum nicht?“ Sie kam mit den Tassen ins Wohnzimmer zurück, warf sich in den alten, durchgesessenen Sessel, der irgendwie immer nach ihr roch. Sie trank aus einer von diesen kitschigen Tassen mit einem Spruch drauf: Ich bin nicht zickig, ich bin emotional flexibel. Keine Ironie, sondern ernst gemeint. Typisch Tine.

Wir saßen da, die Beine auf den Tisch gestützt, jeder mit seiner Tasse. Der Wein war warm. „Hast du schon mal kalten Wein probiert?“ fragte ich und zeigte auf die Flasche, die ohne Kühler auf dem Boden stand.

„Vielleicht mag ich, wenn er ein bisschen schlecht schmeckt.“ Sie zuckte die Schultern, nahm noch einen Schluck. Ihre Augen sahen müde aus, aber das taten sie immer, wenn sie lachte.

Ich sah sie an und fragte mich, was ich eigentlich hier wollte. Nicht die Antwort, die ich kannte – Tine war immer meine Flucht, wenn der Rest der Welt zu laut oder zu langweilig war. Aber die andere, die größere Frage, die ich meistens runterspülte mit billigem Bier und flachen Witzen.

„Was schaust du so?“ fragte sie.

„Nichts.“

„Lügner.“ Sie zog die Beine an den Körper, drehte den Kopf so, dass sie mich direkt ansah. Das war eine von diesen unbequemen Wahrheiten über Tine: Wenn sie dich ansah, schien sie irgendwas zu sehen, was du selbst nicht wusstest. Unfair eigentlich.

„Es ist nur…“ Ich zögerte, wollte nichts sagen, was zu ehrlich klang. „Ich frage mich, warum wir hier sitzen und Wein aus Kaffeetassen trinken.“

„Weil wir können?“

„Oder weil uns nichts Besseres einfällt.“

Sie lachte, und da war dieses Zucken wieder. „Du denkst zu viel nach. Immer.“

„Das sagt die Richtige.“

„Was soll das heißen?“

„Na ja, du lässt deine Pflanzen fast sterben und dann rettest du sie in letzter Minute. Klingt wie eine Metapher.“

„Das klingt, als ob du ein Problem mit meinen Pflanzen hättest.“

„Vielleicht habe ich ein Problem mit dir.“

Die Worte kamen raus, bevor ich sie stoppen konnte, und für einen Moment war es still. Draußen hörte man einen Vogel, der klang, als hätte er gegen eine Fensterscheibe geflogen sein müssen. Kein schöner Soundtrack für unangenehme Stille.

Tine stand auf, ging zum Fenster und schob die Vorhänge ein Stück zur Seite. Der Himmel war grau, mit ein paar Lichtern von vorbeifahrenden Autos. Sie sagte nichts, und ich hatte das Gefühl, dass ich mich irgendwie entschuldigen sollte, obwohl ich mir nicht sicher war, wofür.

„Vielleicht hast du recht“, sagte sie schließlich.

„Womit?“

„Dass du ein Problem mit mir hast. Oder ich mit dir. Ist doch egal, oder? Solange wir trotz dem Wein trinken.“

Das war’s dann. Der Moment war vorbei, und wir waren wieder da, wo wir angefangen hatten. In einem Raum, der sich irgendwie zu groß und zu klein gleichzeitig anfühlte, mit warmem Wein und dieser seltsamen Stille zwischen uns, die weder gut noch schlecht war. Nur echt.

Manchmal dachte ich, dass es genau das ist, was ich mag an ihr: Dass sie keinen Anspruch auf irgendwas erhebt, aber trotzdem alles einnimmt. Wie der Geruch von Vanillekerzen, die man nicht ausstehen kann, aber trotzdem immer wieder anzündet.

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