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As Time Goes By
Trennung
Die einzige Trennung, zu der ich fähig bin, ist das Verschwinden. Jeden Kontakt abbrechen, mich unauffindbar machen. Ohne ein Wort, ohne Erklärung, denn sobald ich etwas zu erklären versuche, ist es mit meiner Entschlossenheit vorbei.

Die einzigen Geräusche im Zimmer kamen von der Heizung, die stoßweise ein Knacken von sich gab, und von ihrem Atem, der ein wenig zu laut war für meinen Geschmack. Vielleicht lag es auch daran, dass der Raum zu still war, so still, dass selbst mein eigenes Blinzeln fast wie ein Echo wirkte. Die Luft roch nach dem schweren Parfum, das sie immer trug, eine Mischung aus Vanille und irgendetwas Blumigem, das ich nicht benennen konnte. Auf dem Nachttisch stand ein halb leeres Glas Rotwein, der in der warmen Luft schon ein wenig säuerlich roch.
„Sag doch was“, sagte sie schließlich. Ihre Stimme war tief, rauchig, fast wie aus einem alten Film, nur ohne das glamouröse Timbre.
Ich schüttelte den Kopf, mehr zu mir selbst als zu ihr. Worte kamen mir selten leicht, besonders in solchen Momenten, und die Art, wie sie mich ansah, machte es nicht einfacher. Ihre Augenbrauen waren leicht zusammengezogen, als ob sie versuchte, eine Lösung für ein mathematisches Problem zu finden, und ich war die Gleichung.
„Ich sag nichts, weil es nichts zu sagen gibt“, murmelte ich schließlich, mehr, um die Stille zu füllen, als um wirklich eine Antwort zu geben. Meine Stimme klang dabei rau, fast fremd.
Sie seufzte, legte sich zurück ins Kissen und zog die Decke bis zum Kinn hoch. Es war diese Art von Seufzer, die alles auf einmal ausdrückte: Resignation, Enttäuschung, vielleicht auch ein bisschen Ärger. Ich hätte sie gern gefragt, was sie von mir erwartete, aber ich wusste, dass die Antwort mich mehr nerven würde, als ich bereit war, zuzugeben.
Draußen auf der Straße hupte ein Auto, und irgendwo weiter entfernt hörte man das metallische Rattern einer Straßenbahn. Es klang seltsam beruhigend, als ob die Stadt mich daran erinnern wollte, dass das Leben weitergeht, egal wie verkorkst der Moment gerade ist.
„Weißt du“, fing sie wieder an, und ich spürte, wie sich meine Nackenmuskeln anspannten. Wenn jemand einen Satz mit Weißt du anfängt, dann weiß ich meistens schon, dass ich am Ende nicht schlauer sein werde als vorher. „Ich versteh dich einfach nicht. Du machst immer diesen Eindruck, als ob dir alles egal wäre. Aber ich glaube nicht, dass das stimmt.“
Ich hätte lachen können, aber ich hatte keine Energie dafür. Stattdessen setzte ich mich auf, griff nach meiner Zigarette auf dem Nachttisch und zündete sie an. Der Rauch brannte in meiner Kehle, aber das war ein Schmerz, mit dem ich umgehen konnte.
„Vielleicht bin ich dir wirklich egal“, sagte ich schließlich, den Blick auf den dünnen Rauchfaden gerichtet, der sich in der träge flimmernden Luft auflöste.
„Das ist das Problem mit dir“, erwiderte sie, diesmal ohne Seufzen, aber mit dieser bestimmten Härte in der Stimme, die mich immer dazu brachte, meine Zähne aufeinanderzubeißen. „Du spielst immer diesen Zyniker, aber in Wirklichkeit—“
„In Wirklichkeit was?“ Ich drehte mich zu ihr um, und meine Stimme war schärfer, als ich beabsichtigt hatte. Sie verstummte, und für einen Moment dachte ich, sie würde die Diskussion einfach abbrechen. Aber so war sie nicht. Sie war nicht der Typ, der aufgibt.
„In Wirklichkeit hast du Angst.“
Das saß. Nicht, weil sie recht hatte, sondern weil sie so klang, als ob sie recht hätte. Und das machte mich wütend. Ich nahm noch einen Zug von der Zigarette, drückte sie dann mit mehr Kraft als nötig im Aschenbecher aus und stand auf.
„Weißt du was, Clara?“ Ich spürte, wie meine Hände zitterten, und verschränkte sie hinter meinem Rücken, um es zu verbergen. „Wenn du so gut weißt, was ich denke und fühle, dann brauchst du mich ja eigentlich gar nicht mehr, oder?“
Sie lachte. Es war kein freundliches Lachen, sondern eines von der Sorte, das dir einen kalten Schauer über den Rücken jagt.
„Das ist es, oder? Du willst raus hier. Einfach verschwinden, so wie du’s immer machst. Na los, geh doch.“ Sie setzte sich auf, die Decke rutschte dabei von ihren Schultern, und ich konnte sehen, dass sie immer noch dieses schwarze Spitzen-Ding trug, das sie vorhin angezogen hatte. Es stand ihr, das musste ich ihr lassen, aber in diesem Moment war es nur ein weiteres Detail, das mich ärgerte.
„Vielleicht geh ich wirklich“, sagte ich, und diesmal klang meine Stimme überraschend ruhig. Ich griff nach meiner Jacke, die über einem Stuhl hing, und zog sie an.
„Natürlich gehst du“, sagte sie, und ihre Stimme hatte diese seltsame Mischung aus Bitterkeit und Traurigkeit, die ich nie so recht deuten konnte. „Weißt du was, Alex? Irgendwann wird dich jemand lieben. Richtig lieben. Und weißt du, was du dann tun wirst?“
Ich hielt inne, meine Hand schon an der Türklinke, aber ich drehte mich nicht um. „Was?“
„Du wirst es versauen. Weil du immer alles versaust.“
Das war das letzte, was sie sagte. Und das Letzte, was ich hören wollte. Ich zog die Tür hinter mir zu, ohne etwas zu erwidern, und ging die Treppe hinunter. Der Geruch von kaltem Rauch und billigem Putzmittel in dem engen Treppenhaus war fast beruhigend. Es war die Art von Geruch, die dich daran erinnert, dass es immer noch diese einfachen, unverfänglichen Dinge gibt, die nicht versuchen, mehr zu sein, als sie sind.
Draußen auf der Straße wehte ein kalter Wind, der mir die Haare ins Gesicht blies und die Zigarette, die ich mir gerade angezündet hatte, fast auslöschte. Ich steckte die Hände in die Taschen meiner Jacke und ging los, ohne wirklich zu wissen, wohin. Aber das war mir egal.
Es war immer einfacher, sich zu bewegen, als stehenzubleiben.