Schwimmen
Ich habe getrunken, um meine Sorgen zu ertränken, aber die verdammten Dinger haben schwimmen gelernt.

Draußen regnete es, und drinnen stank es nach verbranntem Toast.
Ich saß am Küchentisch, die Beine irgendwie verkrampft unter den Stuhl geklemmt, und stocherte in den Resten eines kalten Spiegeleis herum. Die Ränder wellten sich hoch, als hätten sie genug gesehen. Der Kaffee war schon wieder leer. Irgendwo klapperte Geschirr, und ich hörte, wie der Kühlschrank brummend in den nächsten Gang schaltete. Sonst war es still. Zu still.
„Sag mal, was machst du da eigentlich den ganzen Tag?“
Die Frage kam nicht plötzlich. Sie hing in der Luft wie die Rauchschwaden vom Toaster, die immer noch langsam Richtung Decke zogen. Aber heute klang sie schärfer, weniger müde.
„Ich denke nach.“ Meine Antwort war so lakonisch wie das Leben in dieser Wohnung. Und wie immer brachte sie nichts außer einem genervten Schnauben.
„Nachdenken.“ Sie stand im Türrahmen, eine Hand am Rahmen, die andere lässig in die Hüfte gestemmt, als hätte sie sich genau so eine Szene ausgedacht. Ihre Haare waren noch nass von der Dusche, und das Wasser rann ihr den Hals hinunter, verschwand hinter diesem blöden Shirt mit dem sinnlosen Spruch: “Keep Calm and Be Kind“.
„Ja, nachdenken.“ Ich starrte auf die Gabel in meiner Hand. Warum konnte sie nicht einfach… ach, egal.
Sie sagte nichts mehr, aber ihre Blicke waren schlimmer als Worte. Die Art, wie sie einen musterte, wie ein Lehrer, der wusste, dass du den Stoff nicht gelernt hattest. Ich hörte, wie sie den Raum verließ. Ihre Schritte klangen wie kleine Vorwürfe auf dem Parkett.
Das war unser Alltag. Oder zumindest das, was davon übrig war.
Es ist nicht so, dass ich nichts tue. Aber manchmal scheint es, als reiche das nicht. Ich repariere die Kleinigkeiten im Haus, räume auf, koche. Und trotzdem sehe ich sie, wie sie auf der Couch sitzt, die Augen auf ihr Handy geheftet, und der Bildschirm beleuchtet ihr Gesicht wie das Display einer Spielautomatenverliererin.
„Was machst du?“ frage ich dann, und sie hebt den Blick, langsam, als müsste sie sich daran erinnern, dass ich existiere. „Arbeiten.“ Das sagt sie immer. Oder etwas Ähnliches. Es klingt wie ein Codewort, eine Ausrede, hinter der sie sich versteckt.
„Arbeiten“ hieß: TikTok, WhatsApp, Emails, vielleicht ein paar Online-Shops durchstöbern. Es hieß, sie war da, aber nicht wirklich da.
Heute Vormittag habe ich den Regen beobachtet.
Er prasselte gegen die Scheiben wie nervöse Finger, ein Rhythmus, der nie ganz zu finden schien. Ich hatte das Fenster ein Stück weit offen gelassen, weil ich den Geruch von nasser Erde mag. Manchmal reicht das.
Aber heute nicht.
Ich zog meinen Hoodie über, schlüpfte in die ausgelatschten Sneakers und stapfte nach draußen. Der Regen war nicht mehr erfrischend, er war klebrig. Einer dieser fiesen Herbsttage, an denen die Luft zu dicht ist und die Pfützen dreckig aussehen.
„Willst du nicht wenigstens einen Schirm mitnehmen?“ rief sie von irgendwo hinter mir.
Ich ignorierte sie. Absichtlich.
Der Park war leer, was selten vorkam. Ein paar Krähen hockten auf den Bänken, sahen aus wie mürrische alte Männer in nassen Anzügen. Ich lief am Ententeich vorbei und beobachtete, wie das Wasser die Wolken spiegelte. Wellen verzogen das Bild, zogen es in die Länge, bis es unkenntlich war.
Da war eine alte Frau, die trotz des Regens auf einer Bank saß. Sie hatte einen roten Hut auf, das fiel mir auf. Der Rest von ihr war Grau-in-Grau, ein bewegtes Stillleben. Ich nickte ihr zu, sie nickte zurück.
Als ich wieder zurück war, tropfte ich wie ein kaputtes Rohr auf den Teppich.
„Na, hast du die Erleuchtung gefunden?“ Ihre Stimme kam aus der Küche, aber ich konnte mir vorstellen, wie sie dabei aussah. Ein Lächeln, das keine Wärme hatte.
„Noch nicht.“
Sie tauchte in der Tür auf, die Hände am Tassenrand, aus denen Dampf stieg. „Vielleicht solltest du mal über richtige Probleme nachdenken, statt über das Wetter.“
„Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken, warum du immer so giftig bist.“
Das war ein Fehler. Ich wusste es in dem Moment, als ich es gesagt hatte.
Die Tage ziehen vorbei wie dieser Regen. Nichts bleibt wirklich hängen, außer den kleinen, unausgesprochenen Dingen. Die Sachen, die wir nicht aussprechen können, weil wir zu beschäftigt sind, uns aneinander zu reiben.
Gestern Nacht hat sie mich im Schlaf berührt. Ganz leicht. Ich habe die Augen nicht aufgemacht. Ich weiß nicht, ob ich das hätte tun sollen.