Tagebuch der Unrast

As Time Goes By

Farida – Keine Haut vergisst

Ich wache nicht auf, ich schalte nur um. Von der einen Stille in die andere. Keine Stimme, kein Geräusch außer dem Knacken der Wand hinter mir, die nachts atmet, als wäre sie ein lebendiger Organismus. Feuchtigkeit sammelt sich in den Fugen. Manchmal tropft sie auf den Boden, als zähle jemand Sekunden rückwärts. Ich sitze im Flur, Rücken an der Wand, eine Zigarette zwischen den Fingern, die ich nicht rauche. Es geht nicht ums Rauchen. Es geht ums Halten. Um irgendwas, das nicht wegrutscht. Die Tattoos auf meinen Armen ziehen leicht. Als würden sie sich bewegen ... Weiterlesen

Nachtzohne

Ich sitze da, die Wand im Rücken. Kalt, feucht, rau wie die Blicke, die man nicht mehr austauscht. Der Regen hat nachgelassen, aber das Wasser klebt noch in meinen Haaren, in den Nähten meiner Jacke, in meinem Nacken. Die Mauer hinter mir ist alt, zerfressen, wie alles hier. Beton, Ruß, Moos. Und dazwischen: ich. Man hat uns vergessen. Oder verdrängt. Wahrscheinlich beides. Seit der Dritte Rückzug ausgerufen wurde, ist es still geworden hier unten. Keine Durchsagen mehr. Keine Evakuierungen. Kein Licht. Weiterlesen

Schweigend durch die Zone

Der Staub klebt. Überall. Naia spuckt aus. Schmeckt nach Metall. Die Zone hat keinen Namen mehr. Braucht keinen. Ist einfach da. Grau. Tot. Vergessen. Sie findet das Gerät zwischen Schrott. Blinkt einmal. Wie ein Herzschlag. Dann nichts. Ihre Finger sind rau. Kalt. Das Ding ist warm. Zu warm. Vor ihr: Ruinen. Hinter ihr: Nichts. Sie geht. Weiterlesen

Der vertauschte Mantel

Ich stehe im Eingang eines Cafés, das ich noch nie zuvor gesehen habe. Es regnet. Nicht stark, aber beharrlich, dieser feine Sprühregen, der die Haut durchnässt, bevor man es überhaupt bemerkt. Ein Tropfen läuft mir vom Haar in den Nacken, kalt und unangenehm. Ich schüttle mich leicht und trete ein. Der Geruch von Kaffee und etwas Süßem schlägt mir entgegen. Zimt vielleicht, oder Kardamom. Es ist warm hier drinnen, fast zu warm nach der kühlen Nässe draußen. Die Luft fühlt sich dick an, wie ein Tuch, das sich um meine Schultern legt. Mein Mantel – ein dunkelblauer Wollmantel, den ich seit Jahren trage – fühlt sich plötzlich schwer und unnötig an. Die Wolle kratzt am Hals. Weiterlesen

Der verpasste Bus

Verschlafe mal wieder. Ist nicht so, dass ich's nicht besser wüsste, aber mein Wecker hat heute diesen passiv-aggressiven Ton drauf, wo er zwar klingelt, aber irgendwie nicht laut genug, um gegen meinen Traum anzukommen. Da war ich gerade dabei, durch eine Bibliothek zu schwimmen, deren Bücher aus Wasser bestanden. War eigentlich cool.

Jetzt stehe ich an der Bushaltestelle und sehe nur noch die Rücklichter der 37, die sich wie ein fetter, selbstzufriedener Käfer davonmacht. Typisch. Der Bus ist immer dann pünktlich, wenn ich es nicht bin.

Die Anzeigetafel sagt, der nächste kommt in zwanzig Minuten. Super. Ich trete von einem Fuß auf den anderen, reibe mir die Hände. November-Kälte kriecht mir unter die Jacke. Hätte mir einen Schal umwickeln sollen, denke ich, während ich spüre, wie die Kälte meinen Nacken hochkriecht wie eine neugierige Spinne.

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Nachts allein

Manche Nächte kleben wie ein nasser Film auf der Haut. Du gehst durch sie hindurch wie durch eine Erinnerung, die nie deine war. Keine Stimme ruft dich. Kein Ort erwartet dich. Und doch gehst du weiter – weil das Stehenbleiben das Lauteste wäre. Ich erinnere mich nicht an meinen Namen, nicht wirklich. Vielleicht war ich mal jemand. Vielleicht auch viele. Die Stadt hat mir alles gegeben, was ich nicht brauchte. Und das, was ich suchte, hat sie eingemauert hinter Glasscheiben und Nummern. Weiterlesen

Georg – Das leise Ende der Dinge

Ich sitze wieder in diesem Raum. Gleiche Wände, gleiche Schatten. Nur das Licht ist anders – milder, weicher, irgendwie älter. Als hätte es selbst die Jahre gespürt, die ich fort war. Draußen vor dem Fenster stehen die Bäume noch. Grauer Stamm, dunkles Laub, und dieses eine Astgabeln-Geflecht, das schon immer wie ein müdes Tier über den Zaun hing. Weiterlesen

Draußen ist ein weiter Begriff

Die Stufen sind kalt und feucht. Beton, der sich durch die Hose frisst, als wär’s ein stilles Urteil. Ich sitz hier nicht zum ersten Mal. Wahrscheinlich auch nicht zum letzten. Hinter mir rauscht die Stadt. U-Bahn-Geratter, Sirenen, das übliche Gekeife. Keiner sieht hin. Gut so. Ich will kein Mitleid, nur meine Ruhe. Vielleicht noch ‘ne Zigarette. Oder zwei. Ich heiße Lorenz. Früher hatte ich mal drei Namen. Jetzt reicht einer. Weiterlesen

Pechsträhnen glänzen nur im Rückspiegel

Pechsträhnen glänzen nur im Rückspiegel „Es gibt Tage, da fährt das Leben einfach weiter – ohne dich. Und wenn du dann aufwachst, stehst du irgendwo am Rand, mit rostigen Gedanken und einem Blinker, der seit Jahren nicht mehr aus ist.“ Weiterlesen

Unter dem Rost

Ich sitze auf kaltem Beton. Die Fabrik ist tot. War mal was. Ist jetzt Schrott. „Loke", sagt der Alte. „Wie der aus den Geschichten." Ich heiße Mika. Sage ich nicht. Er hat eine orangene Kiste. Zeug drin, das mal Essen war. Zwiebeln. Äpfel. Brot wie Stein. „Nicht gestohlen", sagt er. „Gesammelt." Die Zone. Hunderte Kilometer Nichts. Beton. Rost. Kaputte Fenster. Er gibt mir Apfel. Ich nehme. Ohne Danke. „Was hast du früher gemacht?" „Genug, um es zu bereuen." Ich frage nicht weiter. Macht man hier nicht. Ich will nach Westen. Zur Mauer. Die noch Strom hat. Vielleicht Menschen mit echten Namen. Weiterlesen
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