Die wiederkehrende Straßenecke
Ich stehe wieder an dieser Ecke. Kenne sie. Bin sicher, dass ich schon mal hier war, obwohl ich nicht sagen könnte, wann genau. Das Licht hat diese seltsame Qualität – zu golden für einen normalen Nachmittag, zu klar für die Dämmerung. Die Schatten fallen in unmöglichen Winkeln.
Die Straße vor mir gabelt sich. Links eine enge Gasse mit Kopfsteinpflaster, das in der Sonne glänzt wie nasse Kiesel. Die Steine sehen aus, als würden sie schwitzen. Rechts eine breite Avenue mit Bäumen, deren Blätter sich im Wind bewegen, obwohl ich keine Luftbewegung spüre. Seltsam.
An der Ecke steht ein Café. Die Markise flattert träge, obwohl kein Wind weht. Rot und weiß gestreift, leicht ausgeblichen, als hätte die Sonne jahrelang darauf gebrannt, obwohl sie gleichzeitig neu aussieht. Unter der Markise stehen drei Tische. An einem sitzt eine Frau mit einem übergroßen Hut, der ihr Gesicht verdeckt. Sie rührt in einer Tasse, die keinen Dampf abgibt. Das Klirren ihres Löffels höre ich deutlich, obwohl ich mindestens zehn Meter entfernt stehe.
„Kommst du endlich?“ ruft sie, ohne aufzublicken.
Ich zögere. Woher kennt sie mich? Und woher weiß ich, dass sie mich meint? Aber meine Füße bewegen sich wie von selbst auf sie zu. Der Abstand zum Café schrumpft nicht. Ich gehe schneller, fast rennend, und trotzdem bleibt die Entfernung gleich.
„Du musst dich entscheiden“, sagt sie jetzt. Ihre Stimme klingt plötzlich nah, als stünde sie direkt neben mir.
„Wofür?“
„Für eine Richtung.“
Ich drehe mich um. Die Straßengabelung hat sich vervielfacht. Jetzt sind es fünf unterschiedliche Wege, die von diesem Punkt ausgehen. Nein, sieben. Ich blinzle, und es sind drei. Dann wieder fünf.
„Das ist verwirrend“, sage ich zu niemandem bestimmtem.
„Nur wenn du versuchst, alle gleichzeitig zu sehen“, antwortet die Frau. „Wähle eine.“
Ich entscheide mich für einen schmalen Pfad, der zwischen zwei hohen Häuserwänden hindurchführt. Er war vorher nicht da, dessen bin ich sicher. Als ich den ersten Schritt mache, verändert sich das Licht. Es wird kühler, bläulicher. Die Luft riecht nach Regen und etwas Metallischem.
Der Pfad windet sich. Nach drei Schritten kann ich die Straßenecke mit dem Café nicht mehr sehen. Nach sieben Schritten öffnet sich der Weg zu einem kleinen Platz. In der Mitte steht ein Brunnen, dessen Wasser nach oben fließt statt nach unten. Die Tropfen sammeln sich zu einer schwebenden Kugel, die im Sonnenlicht glitzert. Sonnenlicht? Eben war es noch dämmrig.
Am Rand des Platzes steht ein alter Mann mit einem Schachbrett vor sich. Die Figuren sind lebendig, winzige Menschen aus Holz, die sich bewegen, wenn er sie nicht ansieht. Ich bemerke es nur aus dem Augenwinkel. Sobald ich direkt hinschaue, erstarren sie.
„Spielst du?“ fragt er.
„Ich kenne die Regeln nicht“, sage ich.
„Das macht nichts. Die Figuren wissen, was zu tun ist.“
Ich setze mich ihm gegenüber. Der Stuhl ist unbequem, zu klein für mich, als wäre er für ein Kind gemacht. Der alte Mann hat Hände wie Baumwurzeln, knotig und braun. Als er mir eine Figur reicht, fühlt sie sich warm an und pulsiert leicht, wie ein winziges Herz.
„Die erste ist immer ein Geschenk“, sagt er. „Die anderen musst du dir verdienen.“
Ich betrachte die Figur. Es ist eine kleine Frau mit einem übergroßen Hut. Sie sieht aus wie die Dame aus dem Café, nur miniaturisiert. Als ich genauer hinschaue, bewegt sie sachte den Kopf und legt einen winzigen Finger an die Lippen. Ein Geheimnis.
„Was soll ich damit?“ frage ich.
„Bewahren, natürlich.“ Der alte Mann lacht, und sein Lachen klingt wie das Rascheln von trockenem Laub. „Bis du sie brauchst.“
Ich stecke die Figur in meine Tasche, und sofort wird sie schwer wie ein Stein. Der Stoff meiner Hose sackt durch das Gewicht nach unten.
„Ich sollte weitergehen“, sage ich.
„Wie du meinst.“ Er zuckt mit den Schultern und ordnet die verbliebenen Figuren neu an. „Der Weg findet dich.“
Ich stehe auf und gehe quer über den Platz. Es gibt mehrere Ausgänge, aber irgendwie weiß ich, welchen ich nehmen muss. Ein Torbogen aus verwittertem Stein, mit Symbolen bedeckt, die wie Buchstaben aussehen, aber aus keinem Alphabet stammen, das ich kenne. Als ich hindurchgehe, verändert sich alles.
Ich bin in einer Wüste. Der Sand unter meinen Füßen ist nicht heiß, sondern angenehm kühl. Der Himmel über mir ist von einem so intensiven Blau, dass es fast violett wirkt. Die Sonne steht hoch, aber ich spüre keine Hitze. In der Ferne sehe ich eine Karawane, die sich langsam, wie eine Schlange durch die Dünen bewegt.
Ich beginne, in ihre Richtung zu gehen, aber mit jedem Schritt scheint sie weiter weg zu sein. Nach einer Weile bleibt ein Mann zurück. Er trägt einen weiten Umhang, der im nicht vorhandenen Wind flattert, und einen Turban, der seine Augen verschattet. Er winkt mir zu.
Als ich näher komme, sehe ich, dass er ein Tablett mit Teetassen balanciert. Sie sind filigran, fast durchsichtig, mit goldenen Mustern verziert, die sich vor meinen Augen zu bewegen scheinen.
„Tee?“ fragt er.
Ich nicke, obwohl ich keinen Durst habe. Er reicht mir eine Tasse. Der Tee darin ist tiefrot und duftet nach Gewürzen, die ich nicht benennen kann.
„Vorsicht“, sagt er. „Er zeigt dir, was du wissen musst, nicht was du sehen willst.“
Ich nehme einen Schluck. Der Tee schmeckt bitter und süß zugleich. Als ich schlucke, fühle ich, wie jeder Tropfen einen anderen Weg durch meinen Körper nimmt, wie ein Flussystem, das sich verzweigt.
Die Wüste um uns herum beginnt zu verschwimmen. Der Sand steigt auf und bildet Muster in der Luft, wie Tänzer, die sich im Kreis drehen. Die Karawane in der Ferne löst sich auf und wird zu einer Reihe von Hochhäusern.
Ich blinzle, und wir sind in einer Stadt. Der Tee in meiner Hand ist verschwunden, ebenso der Mann mit dem Turban. Stattdessen halte ich einen Stadtplan, der aussieht, als wäre er aus Haut gemacht. Er fühlt sich warm an und pulsiert leicht unter meinen Fingern. Die Straßen darauf sind rot wie Adern.
Menschen eilen an mir vorbei, alle in Grau gekleidet, alle mit gesenktem Blick. Keiner scheint mich zu bemerken. Die Gebäude ragen hoch auf, verdecken den Himmel, aber irgendwie ist es trotzdem hell. Das Licht scheint aus den Fenstern zu kommen, ein kaltes, bläuliches Leuchten.
Ich falte den Plan auseinander. Er wird größer und größer, bis er fast den gesamten Bürgersteig bedeckt. In der Mitte ist ein roter Punkt, der pulsiert wie ein Herzschlag. „Du bist hier“, steht daneben in einer Handschrift, die seltsam vertraut aussieht.
Als ich aufblicke, steht eine Frau vor mir. Sie trägt einen grauen Mantel wie alle anderen, aber irgendwie hebt sie sich ab. Vielleicht liegt es an ihren Augen, die die Farbe von Bernstein haben und zu leuchten scheinen.
„Du bist spät dran“, sagt sie.
„Wofür?“
„Für das Treffen natürlich.“
„Welches Treffen?“
Sie seufzt, als hätte sie diese Unterhaltung schon hundertmal geführt. „Das weißt du doch. Komm, ich zeige dir den Weg.“
Ich zögere, aber dann folge ich ihr. Der Plan in meiner Hand faltet sich von selbst zusammen und schrumpft, bis er wieder in meine Tasche passt. Die Frau geht schnell, schlängelt sich mühelos durch die Menge. Ich muss fast rennen, um mit ihr Schritt zu halten.
Wir biegen um eine Ecke, dann noch eine. Die Straßen werden enger, die Gebäude kleiner und älter. Die grauen Menschen werden weniger, bis wir schließlich allein sind. Die Frau bleibt vor einer unscheinbaren Tür stehen. Sie ist aus dunklem Holz, ohne Klinke oder Schloss.
„Du musst klopfen“, sagt sie.
„Wie oft?“
„So oft, wie du alt warst, als du dein erstes Geheimnis hattest.“
Ich überlege. Wann hatte ich mein erstes Geheimnis? Mit vier? Fünf? Ich kann mich nicht erinnern. Schließlich klopfe ich viermal, aus einem Gefühl heraus.
Die Tür schwingt auf. Dahinter ist ein langer Korridor, dunkel bis auf vereinzelte Kerzen an den Wänden. Die Flammen bewegen sich nicht und geben kaum Licht.
„Nach dir“, sagt die Frau.
Ich trete ein. Der Boden unter meinen Füßen fühlt sich seltsam nach, als würde ich auf Moos gehen. Die Wände sind mit Samt bespannt, so dunkelrot, dass er fast schwarz wirkt. Ich gehe langsam vorwärts. Mit jedem Schritt wird der Korridor breiter und höher, bis er schließlich in einem riesigen Saal mündet.
Der Raum ist kreisrund und hat eine Glaskuppel als Dach, durch die ich den Nachthimmel sehen kann. Tausende von Sternen funkeln dort oben, mehr als ich je zuvor gesehen habe. In der Mitte des Raumes steht ein runder Tisch, um den mehrere Stühle gruppiert sind. Nur einer ist besetzt.
Die Person, die dort sitzt, trägt einen langen, silbernen Mantel mit einer Kapuze, die ihr Gesicht verdeckt. Als ich näher komme, hebt sie den Kopf. Unter der Kapuze sehe ich mein eigenes Gesicht, nur älter, mit feinen Linien um die Augen und grauen Strähnen im Haar.
„Endlich“, sagt mein älteres Ich. „Ich warte schon eine Ewigkeit.“
„Worauf?“
„Darauf, dass du die richtige Frage stellst.“
Ich setze mich auf den Stuhl gegenüber. Die Frau, die mich hergeführt hat, ist verschwunden. Der Tisch zwischen uns ist aus dunklem Holz, poliert bis zum Spiegeln. Darauf liegen verschiedene Gegenstände: die Schachfigur, die der alte Mann mir gegeben hat; eine der filigranen Teetassen aus der Wüste; ein Schlüssel aus Kupfer, grün vor Alter; und ein Buch mit leerem Einband.
„Was ist die richtige Frage?“ frage ich.
Mein älteres Ich lächelt traurig. „Das war sie nicht.“
Ich überlege. Was will ich wirklich wissen?
„Warum komme ich immer wieder an diese Straßenecke zurück?“
Das Lächeln wird breiter. „Schon besser. Aber noch nicht ganz.“
Ich denke nach, während ich die Gegenstände auf dem Tisch betrachte. Die Schachfigur scheint mich anzusehen, mit ihrem winzigen Gesicht unter dem übergroßen Hut. Die Tasse spiegelt das Sternenlicht von der Kuppel wider. Der Schlüssel liegt still und schwer da, als würde er auf etwas warten. Das Buch…
Das Buch hat jetzt einen Titel auf dem Einband. „Deine Fragen“ steht dort in goldenen Lettern.
„Was werde ich finden, wenn ich dem Weg folge?“ frage ich schließlich.
Mein älteres Ich nickt anerkennend. „Das ist eine gute Frage. Aber ich kann sie dir nicht beantworten.“
„Warum nicht?“
„Weil du sie dir selbst beantworten musst.“ Mein älteres Ich nimmt das Buch vom Tisch und schlägt es auf. Die Seiten sind voller Schrift in der gleichen vertrauten Handschrift wie auf dem Stadtplan. „Hier drin steht alles, was du jemals fragen wirst, und alle Antworten, die du finden wirst.“
„Darf ich es lesen?“
„Du schreibst es gerade.“ Mein älteres Ich deutet auf meine Hand. Ich halte plötzlich einen Stift, mit dem ich unbewusst Worte auf eine Seite kritzele, die vor mir aufgetaucht ist.
Ich schaue auf das, was ich geschrieben habe: „Was werde ich finden, wenn ich dem Weg folge?“
Darunter erscheint eine Antwort, als würde eine unsichtbare Hand sie schreiben: „Das, was du immer gesucht hast.“
„Das ist keine echte Antwort“, protestiere ich.
„Die echten Antworten musst du selbst finden“, sagt mein älteres Ich. „Ich kann dir nur den Weg zeigen.“
Die Glasdecke über uns zerbricht plötzlich in tausend Stücke. Aber die Splitter fallen nicht herab, sondern bleiben in der Luft hängen, drehen sich langsam wie Schneeflocken aus Kristall. Durch die Öffnung kann ich jetzt nicht mehr den Sternenhimmel sehen, sondern einen Wirbel aus Farben und Formen.
„Es ist Zeit“, sagt mein älteres Ich und steht auf. Der silberne Mantel fließt wie Wasser um die Gestalt.
„Wofür?“
„Weiterzugehen.“
Mein älteres Ich nimmt den Kupferschlüssel vom Tisch und reicht ihn mir. „Den wirst du brauchen.“
Ich nehme ihn. Er ist schwerer, als er aussieht, und warm, als hätte ihn jemand lange in der Hand gehalten.
„Wozu passt er?“
„Zu der Tür, die du noch nicht gefunden hast.“
Mein älteres Ich deutet nach oben, zu dem wirbelnden Chaos, das jetzt an der Stelle des Nachthimmels ist. „Dort hinauf musst du gehen.“
„Wie soll ich das schaffen?“
Als Antwort beginnen die schwebenden Glassplitter, sich zu bewegen. Sie ordnen sich zu einer spiralförmigen Treppe an, die nach oben in den Wirbel führt.
„Die Treppe hält nur, solange du nach vorne schaust“, warnt mein älteres Ich. „Schau nicht zurück.“
Ich stecke den Schlüssel in meine Tasche und gehe zur ersten Stufe. Das Glas unter meinen Füßen knirscht, hält aber mein Gewicht. Ich beginne zu steigen, vorsichtig zuerst, dann sicherer. Mit jedem Schritt nach oben verändert sich die Luft um mich herum. Sie wird dichter, fast flüssig, und schillert in allen Farben.
Als ich mich umdrehe, um mich zu verabschieden, ist der Saal verschwunden. Unter mir ist nur noch der wirbelnde Farbnebel. Keine Spur von meinem älteren Ich oder dem Tisch mit den Gegenständen. Nur die Glastreppe, die sich hinter mir sofort auflöst, sobald ich eine Stufe erklommen habe. Kein Zurück also.
Ich steige weiter. Die Treppe windet sich jetzt in unmöglichen Winkeln. Manchmal gehe ich seitwärts, manchmal sogar kopfüber, aber seltsamerweise spüre ich keine Veränderung der Schwerkraft. Es fühlt sich immer so an, als ginge ich geradeaus.
Nach einer Zeit, die ich nicht messen kann, erreiche ich den Rand des Farbwirbels. Vor mir ist eine Wand aus Licht, so hell, dass ich die Augen zusammenkneifen muss. In der Mitte ist der Umriss einer Tür erkennbar.
Ich greife in meine Tasche und hole den Kupferschlüssel heraus. Er hat sich verändert. Das grüne Patina ist verschwunden, und er glänzt jetzt wie neu. Als ich ihn gegen das Licht halte, sehe ich, dass er aus durchsichtigem Material ist, wie aus Kristall, und in seinem Inneren bewegt sich etwas, wie winzige Galaxien.
Ich trete vor und suche nach einem Schlüsselloch. Die Lichtür scheint solide, aber als ich sie berühre, spüre ich eine Vertiefung, die genau die Form des Schlüssels hat. Ich setze den Schlüssel ein und drehe.
Das Klicken des Schlosses ist so laut, dass ich es in meinen Knochen spüre. Die Tür schwingt auf, und dahinter ist…
Die Straßenecke. Genau die gleiche, an der ich zu Beginn stand. Das Café mit der rot-weiß gestreiften Markise. Die Frau mit dem großen Hut, die in ihrer Tasse rührt. Die sich gabelnde Straße.
Aber etwas ist anders. Das Licht hat nicht mehr diese seltsame, goldene Qualität. Es ist normales Tageslicht. Die Schatten fallen in gewöhnlichen Winkeln. Und als ich mich umdrehe, sehe ich, dass hinter mir nicht mehr die Lichttür ist, sondern eine gewöhnliche Straße, die zu einem belebten Platz führt.
Ich gehe zum Café hinüber. Die Frau blickt auf, als ich mich nähere. Unter dem breiten Rand ihres Hutes sehe ich ein Gesicht, das mir seltsam vertraut vorkommt, obwohl ich sicher bin, dass ich es noch nie gesehen habe.
„Hast du gefunden, was du gesucht hast?“ fragt sie.
Ich setze mich ihr gegenüber und überlege. Habe ich? Was habe ich überhaupt gesucht?
Ich greife in meine Tasche und spüre etwas darin. Es ist nicht der Schlüssel oder die Schachfigur. Es ist ein kleines Buch mit leerem Einband. Als ich es herausziehe und aufschlage, sehe ich, dass die Seiten nicht mehr leer sind. Sie sind gefüllt mit meiner Handschrift, mit Fragen und Antworten.
Die letzte Frage auf der letzten Seite lautet: „Werde ich jemals verstehen?“
Die Antwort darunter lautet: „Du bist bereits dabei.“
Ich schaue auf und begegne dem Blick der Frau. Sie lächelt, und in diesem Moment weiß ich, dass ich wieder hier sein werde. An dieser Straßenecke, in diesem seltsamen Zwischenraum, wo die Wege sich kreuzen und die Fragen Antworten finden, die neue Fragen aufwerfen.
„Kaffee?“ fragt sie und winkt dem Kellner.
Während ich nicke, bemerke ich, dass das Buch in meiner Hand verschwindet, sich auflöst wie Nebel in der Sonne. Aber die Worte darin bleiben. Ich weiß, dass ich sie nicht vergessen werde, auch wenn ich aufwache.
Der Kellner bringt zwei Tassen. Der Kaffee darin ist so schwarz, dass er das Licht zu verschlucken scheint. Als ich einen Schluck nehme, schmecke ich nicht nur Kaffee, sondern auch einen Hauch von Gewürzen, die an den Tee in der Wüste erinnern.
„Auf das nächste Mal“, sagt die Frau und hebt ihre Tasse.
Ich stoße mit ihr an, und das Klirren unserer Tassen klingt wie das Läuten einer fernen Glocke. Die Welt um uns herum beginnt zu verblassen, zu zerfließen wie ein Aquarell im Regen. Nur die Straßenecke bleibt scharf und klar, ein Anker in einem Meer aus sich auflösenden Bildern.
Ich weiß, dass ich aufwache. Aber ich weiß auch, dass ich zurückkehren werde. Zu dieser Ecke, zu den sich gabelnden Wegen, zu den Fragen und den Antworten, die neue Fragen sind.
Das Letzte, was ich sehe, bevor alles verschwindet, ist das Lächeln der Frau unter dem breiten Rand ihres Hutes. Ein Lächeln, das sagt: Bis bald.