Der Wald, die Felsen, ein Himmel wie Asche

Es begann mit einem Schlag, dumpf und unfassbar, als hätte das Universum einen Herzschlag ausgesetzt. Ich stand da – oder saß ich? – inmitten dieses formlosen Raums, den sie Wald nennen, obwohl er längst mehr einem Massengrab glich: Stämme wie gebrochene Knochen, Moos wie Schorf, der sich über die Wunden der Erde gelegt hatte. Die Luft roch nach Moder und Angst, und über mir wölbte sich der Himmel in einer Farbe, die kein Name zu beschreiben vermochte. Es war nicht Grau, nicht Schwarz, sondern ein Schweben dazwischen, eine Textur aus verrottendem Licht.
Die Felsen ragten stumm und drohend aus dem Boden, zerklüftet wie Gesichter alter Götzen, die niemand mehr anbetete. Ich stellte mir vor, dass sie sahen, fühlten, urteilten – ihre kalten, scharfen Kanten wie Lippen, die zu einem hämischen Grinsen verzogen waren. Was mochten sie denken, diese uralten Gebilde aus Stein, die Jahrtausende überlebt hatten, nur um nun Zeugen unseres Untergangs zu werden?
Ich spürte den Regen, obwohl keiner fiel, eine Kälte, die durch den Körper kroch wie ein Tier, das in mir Zuflucht suchte. Schritte hallten – nicht meine, aber ich drehte mich nicht um. Was hätte ich erwartet? Einen Gott? Ein Monster? Beides?
Die Zeit schien hier eingefroren, ein gefrorener See, unter dessen Oberfläche etwas pulsierte, atmete, sich regte. Jede Sekunde zog sich endlos, ein Kaugummi aus Existenz, den irgendjemand zu weit gedehnt hatte, bis er riss. Und doch war da dieser Rhythmus, das unaufhörliche Ticken, das keinen Ursprung hatte – vielleicht mein Herz, vielleicht die Welt selbst, die langsam, unmerklich in sich zusammenbrach.
„Wann ist das alles passiert?“ fragte ich mich, aber die Frage blieb ohne Antwort, ein Echo, das von den Felsen verschluckt wurde. Es gab keine „vorher“, keinen Zeitpunkt, an dem das hier noch Leben gewesen war.
Ein Vogel – oder etwas, das einmal ein Vogel gewesen sein mochte – flatterte auf, ein Schatten ohne Gewicht. Seine Flügel schienen aus Rauch, und als er zwischen den toten Bäumen verschwand, hinterließ er nichts als einen Geschmack aus Asche und Rost auf meiner Zunge.
Warum war ich hier? Diese Frage war weniger eine Frage als ein Mantra, ein Rauschen, das durch meinen Schädel vibrierte. Die Antwort – sofern es je eine gegeben hatte – lag irgendwo vergraben, tief unter den Felsen, tief in mir, in einer Schicht aus Scham und Ungewissheit.
Der Himmel veränderte sich. Ein blutroter Streifen zog sich über den Horizont, wie ein Schnitt, der langsam aufriss. Es war kein Sonnenuntergang, kein natürliches Schauspiel, sondern etwas anderes, etwas, das sich nicht benennen ließ. Die Welt war zu Ende, und ich hatte es verpasst.
Die Felsen schienen näher zu kommen, ihr Schatten verschluckte den Wald. Ich wusste, dass sie mich ansahen, dass sie mich verstanden – besser, als ich mich je selbst verstehen könnte. „Das ist dein Ort,“ schienen sie zu sagen, und ich wusste, dass sie recht hatten.
Es gab kein Geräusch, außer meinem Atem, der zu laut, zu unregelmäßig war. Oder war es überhaupt mein Atem? Die Luft war schwer, ein Gewicht, das auf meinen Schultern lag, auf meiner Brust.
„Ist das alles?“ fragte ich den Wald, die Felsen, den Himmel. Sie antworteten nicht, weil sie keine Antwort hatten, nur Stille, die wie ein Messer in meinem Kopf schnitt.
Ich sah nach oben, zum Himmel, der nun in Flammen stand – oder sah es nur so aus? Ein Spiel aus Licht und Dunkelheit, das alles verschlang.
Die Zeit stand still. Und ich mit ihr.