Begegnung mit Juliette
Am nächsten Morgen wachte ich auf, als die ersten Sonnenstrahlen durch die Vorhänge drangen und die Wände der kleinen Wohnung in ein sanftes Gold tauchten. Paris hatte diese besondere Fähigkeit, den Tag mit einer Art von Poesie zu beginnen, die man sonst nirgendwo fand. Es war ein perfekter Moment, und ich war fest entschlossen, ihn zu nutzen.
Ich machte mich auf den Weg zum Place du Tertre. Es war früh, und der Platz hatte noch nicht die geschäftige Lebendigkeit angenommen, die ihn später am Tag erfassen würde. Ein paar Künstler stellten ihre Staffeleien auf, und Cafébesitzer arrangierten Stühle und Tische. Ich setzte mich in ein kleines Straßencafé, bestellte einen Kaffee und ein Croissant und beobachtete die Welt um mich herum. Es war ein beruhigendes Chaos, das sich vor mir entfaltete.
„Entschuldigen Sie, darf ich?“ Eine Stimme unterbrach meine Gedanken. Ich blickte auf und sah sie zum ersten Mal. Sie hatte einen Stapel von Skizzenbüchern unter dem Arm und einen unaufdringlichen Charme, der mich sofort neugierig machte. Ihre Augen waren dunkel, voller Leben, und ein wenig herausfordernd. „Hier scheint die Sonne gerade perfekt zu sein,“ erklärte sie und deutete auf den Stuhl gegenüber.
Ich nickte und machte eine einladende Geste. „Selbstverständlich.“
„Juliette,“ stellte sie sich vor, als sie sich setzte.
„Alex.“
Sie musterte mich, während sie ihr Skizzenbuch auf den Tisch legte und einen Bleistift aus ihrer Tasche zog. „Neu hier?“ fragte sie, während ihre Finger über das Papier glitten.
Ich nickte. „Gestern angekommen. Und Sie? Sind Sie Künstlerin?“
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „So nennen mich die Touristen. Ich lebe von Portraits und kleinen Straßenszenen. Aber manchmal…“ Sie hielt inne, als würde sie abwägen, wie viel sie preisgeben wollte. „Manchmal versuche ich, etwas mehr einzufangen.“
„Etwas mehr?“
„Den Geist eines Ortes, die Energie der Menschen. Dinge, die man nicht wirklich sehen, aber spüren kann.“ Sie sah mich an, und für einen Moment hatte ich das Gefühl, sie würde versuchen, auch mich zu durchschauen.
Der Kellner brachte ihren Kaffee, und für eine Weile sprachen wir über nichts Bestimmtes. Sie erzählte von den Künstlern am Place du Tertre, die sich jeden Morgen einen Wettkampf lieferten, um die besten Plätze zu sichern. Ich sprach von meiner Arbeit, oberflächlich genug, um Nachfragen zu vermeiden.
„Ein Trader also,“ sagte sie schließlich mit einem leichten Schmunzeln. „Was sucht ein Mann wie Sie in Montmartre? Inspiration?“
„Vielleicht,“ antwortete ich und hob meine Tasse. „Oder einfach nur einen Neuanfang.“
Juliette legte den Kopf leicht schief. „Montmartre ist gut für Neuanfänge. Aber die Leute, die hierherkommen, verlieren sich manchmal auch. Es ist ein seltsamer Ort.“
„Was meinen Sie damit?“
Sie zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. „Hier mischt sich Vergangenheit mit Gegenwart. Manche Menschen kommen, um sich zu finden. Andere, um zu vergessen. Und dann gibt es die, die gar nicht wissen, was sie hier suchen.“
Unser Gespräch wurde unterbrochen, als ein Mann mit einem riesigen Gemälde auf dem Rücken an unserem Tisch vorbeiging und sie grüßte. Juliette winkte zurück und begann, ihre Sachen zu packen. „Ich muss weiter. Arbeit ruft.“
„Vielleicht sehen wir uns wieder?“ fragte ich, ohne groß nachzudenken. Sie hielt inne und sah mich an, ihre Augen blitzten vor amüsierter Neugier. „Vielleicht. Wenn Sie Glück haben.“