Auf halbem Weg
– Ja noch einen.
Der Pinguin zieht wieder ab.
– Findest du nicht, dass das für heute reicht?
Blöde Frage, bloß gut dass ich mich bei der Frau nicht rechtfertigen muss. Aber TROTZdem ich stell mich mal blöd.
– Was?
– Nicht die Nummer!
Ich beschließe erst mal gelangweilt in die Gegend zu schauen und weitere Tiraden abzuwarten.
Unsere Blicke treffen sich auf halbem Weg zwischen unseren Tischen. Sie scheint sich in Ihrer Runde auch nicht gerade wohlzufühlen. Ein kurzer Blick über die Gesellschaft spricht Bände. Lauter fette Säcke, Typ Geschäftemacher, Wichtigtuer, Penetranten – lauter Arschlöcher. Ich proste ihr zu und signalisiere ihr mit nach oben gewandten Augen mein Mitgefühl und mein eigenes Unwohlsein. Sie gibt mir mit einem kurzen Lächeln zu verstehen, dass sie verstanden hat.
– Uhhh! Kannst du auch noch an was anderes denken?
Caros kurzer Stöhner bringt mich wieder an unseren Tisch.
– Was habt ihr denn? Fragt Frank und sieht uns mit unschuldigen Ochsenaugen an.
Caro deutet nur mit dem Daumen über ihre Schulter, was bei ihm keine Anzeichen der Erhellung hervorruft. Dafür ist Gerds Grinsen ziemlich eindeutig.
Ich beschließe das uninteressant zu finden und wende mich wieder dem Nachbartisch zu. Um ihren Mund spielt ein amüsiertes Lächeln. Sie hat lange braune Haare, einen schönen vollen Mund und die unglaublichsten Augen die ich jemals gesehen habe.
Nach einer Ewigkeit, mir schwirrt inzwischen der Kopf und das definitiv nicht von dem vorzüglichen Cognac, wendet sie sich ihren Tischnachbarn zu, wirft ihm ein paar Worte hin, um dann an mir vorbei in Richtung Toiletten zu schweben.
– Na? Das na kommt von Caro.
– Was na?
– Nichts wie hinterher, oder…?
– Du wirst die Vorstellung doch jetzt nicht abbrechen. Meint Gerd
– Bloß kein Neid. Ich erhebe mich, nicht ohne noch einmal Franks fragenden Blick zu streifen. Der Typ ist wirklich zu unbedarft.
Sie steht an der Treppe und sieht mir entgegen. Ich gehe lächelnd auf sie zu.
– Lass‘ uns hier abhauen. Sagt sie.
Ihre Stimme klingt bestimmt, ohne Zweifel, dass mich, wäre ich nicht mit der Natur dieser Dinge vertraut, durchaus eine gewisse Unruhe hätte beschleichen können.
– In zehn Sekunden am Ausgang.
Da ist es wieder, dieses Lächeln. Einfach phantastisch.
– Braucht ihr mich noch?
– Du bist doch heute eh zu nichts anderem zu gebrauchen.
Scheiße wenn Mann so durchschaut wird aber mit der Frau war ich viel zu lange zusammen um ihr noch was vormachen zu können.
– Wie meist Du…?
– Ach komm.
– Wohin?
– Lass‘ die Wortklaubereien und zisch schon mit der Kleinen ab.
Manche Sachen muss man sich nicht zweimal sagen lassen. Ich hebe kurz die Hand zum Abschied und wende mich zum Gehen. Gerds – Viel Erfolg, klingt mir schon ganz entfernt in die Ohren.
Die Treppe hinab kommt mir für etwa zwei Sekunden der Gedanke, dass ich mich heute mal wieder nicht dafür eingesetzt habe mein Image aufzupolieren. Doch, wenn man die Sache nüchtern angeht, darf man nicht außer Acht lassen, dass ich nicht gerade jünger werde, da brauche ich mir nichts vorzumachen, und mir ist vollkommen klar, dass ich mich auf solche Gelegenheiten stürzen und so viel wie möglich dabei her ausholen muss, denn, naja, ewig wird das nicht währen, und wer würde sich nicht verfluchen, wenn er es nicht verstanden hat, sich um seine Seele zu kümmern, als noch Zeit dazu war.
Außerdem habe ich es zwanzig Jahre gepflegt, ich weiß nicht, was es mir gebracht hätte es zu ändern, und ich bereue nichts.
Sie wartet schon unten neben der Garderobe.
– Nichts wie weg, sage ich und schieb sie mit meinem rechten Arm durch die Tür. Wir schaffen noch die drei Stufen bis zur Straße und die paar Meter um die Ecke dann ist nichts mehr was uns halten kann.
– Komm, sage ich als wir uns nach einiger Zeit von einander lösen. Meine Kiste steht gleich um die Ecke.
– Rechts, sagt sie als ich das Hafengebiet verlasse. Womit klar ist, dass wir zu ihr fahren.
Ich komme zu mir, als ich warme, staubige Luft atme, das Gesicht auf dem Teppich. Ich fühle mich in dieser Stellung lächerlich, wir liegen zwischen Bett und Schrank in einem Durcheinander von Klamotten.
Ich atme mehrmals tief, um das Hämmern meines Herzens zu beruhigen. Ich bin etwas erschöpft, aber voll Wohlwollen uns Wärme, nichts von der vertrauten Gleichgültigkeit. Die Geschwindigkeit mit der alles abgelaufen ist, überrascht mich etwas, Quickies sind sonst nicht mein Fall.
– Lass uns mal wieder aufstehen, meine ich.
– Nach dir, sagt sie ernst, und das ist Zuviel. Ich breche in ein Gelächter aus. Nach einigen Sekunden stimmt sie in mein Lachen ein. Sie setzt sich lang sam auf.
– Gewöhnlich bin ich nicht so, sagt sie: eine Erklärung, keine Entschuldigung.
– Wie meinst du das?
– Na ja – ich geh nicht gleich mit jedem ins Bett.
Dabei hebt sie die schmalen Schultern, so als wüsste sie selbst nicht genau warum es in diesem Fall anders ist.
– Ich weiß nicht mal wie du heißt, sage ich.
Sie steht auf. Sie ist schlank der Bauch flach, die Hüftknochen stehen deutlich hervor.
– Helena, sagt sie. Helena Schrage.
– Ich heiße Alexander. Ich stehe ebenfalls auf und schiebe mit den Füßen die verstreuten Sachen an die Wand. Alexander Strasser.
Als ich mich umdrehe sehe ich, dass sie die Hand aus streckt. Ich ergreife sie.
– Sehr angenehm sage ich feierlich, und dann wie auf ein Signal brechen wir beide in ein Lachen aus.
– Ich gehe baden, sagt sie. Machst du uns etwas Musik?
Während das Wasser in die Wanne rauscht stöbere ich in der umfangreichen CD Sammlung.
– Willst du was trinken?
Sie hat sich in einen langen weißen Seidenkimono gehüllt und hält ihn mit den Händen vor der Brust zusammen.
– Was hast du denn?
– Was du willst.
– Rotwein?
– Klar.
Sie verschwindet in der Küche und taucht kurz darauf mit zwei Gläsern wieder auf. In ihrem befindet sich irgendwas dunkles Saftiges.
– Du hast nichts dagegen wenn ich beim Wein nicht mithalte?
– Wie sollte ich?
– Auf dein Wohl, meint sie und schaut mir in die Augen, dabei fällt mir auf, dass sie fast so groß ist wie ich. Mehr als ein -zwei Zentimeter weniger können das nicht sein.
– Auf uns, sage ich und nehme eine Schluck.
– Kommst du mit ins Wasser?
– Gerne
Ich schiebe noch schnell Coldplay in den Player und gehe dann das Bad suchen. Da ich zuerst die Küche finde, fülle ich noch mein Glas. Sie sitzt bis zum Hals in Schaum gehüllt in der Wanne und lächelt mir entgegen.
–