
Die Luft roch nach Öl, billigem Plastik und einer brennenden Kälte, die weder Winter noch Frost war, sondern die Nachhut einer Welt, die im Verfall den Frieden suchte. Es war Nacht, aber nicht die Art von Dunkelheit, die schützend oder beruhigend wirkt – eher eine zähe Masse, eine Art Leichentuch, das sich über alles legte. Der Himmel war tot, sein Sternenlicht erstickt vom fahlen Glühen alter Straßenlampen und den flackernden Reklamen, die noch immer hartnäckig von einem Leben sprachen, das längst vergangen war.
Wir pfeifen aus den letzten Löchern, dachte ich – oder sagte ich es laut? Es war schwer zu sagen. Die Worte hingen in meinem Kopf wie lose Drähte, Funken sprühten, aber nichts zündete. Neben mir schlurfte eine Frau vorbei, ihre Haare verfilzt, ihr Gesicht eine Landkarte aus Falten, die kein Ziel hatten. Sie murmelte etwas Unverständliches, und ich wollte ihr antworten, aber mein Mund war zu schwer.
Der Asphalt unter meinen Füßen war nass, aber der Regen hatte längst aufgehört. Pfützen spiegelten eine Stadt, die nicht mehr wusste, ob sie noch lebte oder sich bereits in die Vergessenheit geflüchtet hatte. Ein alter Mann saß auf einem Bordstein, seine Hände umklammerten eine halb leere Flasche, und sein Blick war leerer als die Straßen um ihn herum. Sein Atem kam stoßweise, wie ein kaputter Motor, der nicht wusste, ob er noch anspringen wollte.
„Lasst uns in Frieden sterben,“ murmelte ich, diesmal sicher, dass die Worte meine waren. Niemand hörte zu, und das war vielleicht besser so. Wozu noch reden, wenn alles gesagt war? Wenn die Welt sich in einer Spirale aus Zersetzung und Erschöpfung drehte, ein Karussell aus Banalitäten und leerem Lärm, das nur noch aus Gewohnheit rotierte.
Ein Auto raste vorbei, seine Reifen spritzten Dreckwasser auf meine Schuhe. Es war ein alter VW, dessen Motor klang, als würde er seinen letzten Atemzug aushusten. Ich folgte ihm mit den Augen, bis er hinter einer Ecke verschwand, und zurück blieb nur der Geruch von verbranntem Benzin und der Geschmack von Frustration in meinem Mund.
Eine Reklametafel an der anderen Straßenseite blinkte hektisch – „2 für 1 – Lasst euch nichts entgehen!“ Die Worte brannten sich in meine Netzhaut, ein absurdes Angebot in einer Welt, die nichts mehr zu bieten hatte. Es war fast komisch, wie diese Maschinen noch immer liefen, diese Systeme, die uns erinnern sollten, dass es immer weiterging, auch wenn wir längst am Ende waren. Ironie in ihrer reinsten Form.
Ich setzte mich auf einen rostigen Metallstuhl vor einem geschlossenen Café, dessen Fenster mit Brettern vernagelt waren. Die Schrift auf dem Schild war kaum noch lesbar, „Café Hoffnung“. Die Ironie schmerzte, und ich konnte nicht sagen, ob ich lachen oder schreien sollte. Stattdessen zündete ich mir eine Zigarette an, ein billiges Ding, das mehr nach Pappe als nach Tabak schmeckte, aber es war egal. Alles schmeckte nach Pappe.
Eine Katze tauchte aus einer Gasse auf, ihr Fell zerzaust, ihre Bewegungen vorsichtig, als würde sie die Stadt genauso fürchten wie ich. Ihre Augen leuchteten im Licht einer kaputten Straßenlaterne, und für einen Moment schien sie mich zu mustern, als wollte sie fragen: Was tust du hier?
„Warten,“ flüsterte ich, und die Katze schlich davon, uninteressiert an meiner Antwort. Warten auf was? Auf das Ende nehme ich an. Auf den Moment, in dem die Zeit endlich aufhörte, uns zu quälen, sich über uns zu schleppen, wie eine alte, zerrissene Uhr, deren Zeiger sich in endlosen Kreisen bewegten, ohne je anzukommen.
Ein Schrei durchschnitt die Stille, und ich zuckte zusammen. Es war ein Frauenschrei, irgendwo aus der Dunkelheit, und dann war er weg, verschluckt von den Mauern der Stadt. Niemand rannte, niemand reagierte. Vielleicht war er nur ein Echo, ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit.
Ich zog an der Zigarette, der Rauch kratzte in meinem Hals, aber ich genoss es. Es war eine Erinnerung daran, dass ich noch atmete, auch wenn es sich nicht immer wie Leben anfühlte. Der Mann mit der Flasche auf dem Bordstein hatte sich hingelegt, seine Augen geschlossen. Für einen Moment war ich mir nicht sicher, ob er noch lebte, aber dann sah ich, wie seine Brust sich leicht hob und senkte. Es war ein beruhigender Anblick – oder ein trauriger, ich wusste es nicht.
Die Nacht war endlos, ein schwarzes Loch, das uns alle verschluckte. Es gab keinen Anfang und kein Ende, nur diesen Moment, der sich dehnte und dehnte, bis er alles ausfüllte. Wir waren Gefangene in einer Welt, die längst aufgegeben hatte, aber trotzdem weitermachte, aus Trotz oder aus Gewohnheit. Es spielte keine Rolle.
Ich dachte an den Satz, den ich vorhin gemurmelt hatte, und er fühlte sich jetzt wahrer an als je zuvor: Lasst uns in Frieden sterben. Es war kein Aufgeben, nicht wirklich. Eher eine Akzeptanz, eine Erkenntnis, dass es nichts mehr zu kämpfen gab.
Ich drückte die Zigarette aus und stand auf. Der Mann auf dem Bordstein murmelte etwas in seinen Schlaf, vielleicht ein Gebet oder einen Fluch. Ich hörte nicht hin. Die Katze war verschwunden, und die Reklametafel hatte aufgehört zu blinken. Es war, als hätte die Stadt selbst beschlossen, eine Pause einzulegen, einen Moment der Ruhe inmitten des Chaos.
Ich ging weiter, meine Schritte hallten auf dem nassen Asphalt, und ich fragte mich, wie lange noch. Wie lange würde diese Nacht dauern? Wie lange, bis wir endlich in Frieden gelassen wurden?










