Die Luft in Moguéran fühlte sich immer an, als hätte sie zu viel gesehen. Salz, Nebel, Regen – all das hing in jedem Atemzug, als wollte die Bretagne dir beibringen, dass nichts je ganz rein ist. In Jeans Haus war es anders. Die Luft war trocken und scharf, voller Staub, der durch die Ritzen der alten Fensterrahmen drang. Marie behauptete, sie mochte das. Es sei ehrlich, sagte sie, wie ein Gespräch ohne Höflichkeiten.

Ehrlich war auch die Lungenentzündung, die mich vor drei Tagen getroffen hatte. Kam mit einem Kratzen im Hals, blieb mit einem Fieber, das meinen Schädel zum Kochen brachte. Der Arzt aus Brest – ein Mann mit einem grauen Bart und Händen, die so kalt waren wie der Wind draußen – hatte etwas von Ruhe und Antibiotika gesagt. Marie war dabei still geblieben, nickte nur, aber ich konnte sehen, wie sich ihre Lippen zu einem dünnen Strich pressten. Sie mochte keine Ärzte. Zu viele Erinnerungen, sagte sie, wenn ich fragte. Also fragte ich nicht.

Jetzt lag ich auf der alten Couch im Wohnzimmer, zugedeckt mit einer Decke, die nach Mottenkugeln und Lavendel roch. Marie saß am Tisch, eine Tasse Tee in der Hand, den Blick auf die Zeitung vor sich geheftet, aber ich wusste, dass sie nichts las. Der Hund – unser Hund, wie sie ihn nannte, obwohl er mehr ihr Hund war – lag zu meinen Füßen und schnarchte leise. Sein Atem roch nach Fisch. Marie hatte ihm gestern eine halbe Dose Sardinen gegeben, als ich eingeschlafen war.

„Geht’s besser?“ fragte sie, ohne den Blick von der Zeitung zu nehmen.

„Kommt drauf an“, sagte ich. „Worauf?“

„Ob du damit meinst, dass ich nicht mehr sterben will.“

Sie legte die Zeitung weg und sah mich an. Ihr Gesicht war müde, aber nicht ungeduldig. Das war das Gute an Marie: Sie war bei allem ein bisschen zu viel, aber nie auf eine Weise, die einen erdrückte. „Du stirbst nicht. Nicht so einfach.“

„Schade eigentlich.“

„Hör auf.“

„Womit?“

„Mit diesem Mist. Ich weiß, dass du nicht sterben willst.“

Der Hund hob den Kopf, als wäre er sich nicht sicher, ob er sich einmischen sollte. Dann legte er ihn wieder ab und schnarchte weiter. Marie stand auf, nahm die leere Tasse und verschwand in der Küche. Ich hörte das leise Rauschen des Wasserhahns, dann das Klirren, als sie die Tasse in die Spüle stellte.

„Was machst du eigentlich, wenn ich nicht mehr krank bin?“ rief ich.

„Ich fahr zurück nach Paris.“

„Das glaubst du doch selbst nicht.“

Sie kam zurück, mit einer neuen Tasse Tee in der Hand, und stellte sich an die Fensterbank. Draußen hatte der Regen wieder angefangen, dieser feine, durchdringende Regen, der dich in Sekunden bis auf die Knochen nass machte. Der Himmel war grau, aber nicht das angenehme Grau, das ein bisschen Trost versprach, sondern das stumpfe, bleierne Grau, das alles zu erdrücken schien.

„Warum sind wir eigentlich hier?“ fragte ich.

„Weil du es wolltest.“

„Das ist keine Antwort.“

„Doch, ist es.“

Ich wollte widersprechen, aber mein Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Watte ausgestopft. Also ließ ich es. Stattdessen beobachtete ich, wie Marie den Regen ansah, als würde sie darin etwas finden, was ich nicht sehen konnte.

„Jean hat angerufen“, sagte sie schließlich.

„Und?“

„Er fragt, ob wir bleiben.“

„Was hast du gesagt?“

„Dass ich es nicht weiß.“

„Das ist auch keine Antwort.“

„Es ist die einzige, die ich habe.“

Der Hund stand auf, streckte sich und tappte zur Tür, als wollte er uns klar machen, dass er genug von unserem Gespräch hatte. Marie öffnete ihm, ließ ihn raus und lehnte sich dann an den Türrahmen, die Tasse immer noch in der Hand.

„Weißt du, was komisch ist?“ sagte sie, ohne mich anzusehen.

„Was?“

„Dass ich mich hier wohler fühle als in Paris. Dabei hasse ich es hier.“

„Vielleicht hasst du Paris auch.“

Sie lachte, leise und ohne wirkliche Freude. „Vielleicht.“

Wir sprachen nicht mehr viel an diesem Tag. Ich schlief ein, wachte wieder auf, hörte den Regen, der gegen die Fenster trommelte, und den Hund, der draußen irgendwo bellte. Marie war die ganze Zeit in meiner Nähe, manchmal lesend, manchmal schweigend, manchmal mit einem Ausdruck im Gesicht, den ich nicht deuten konnte.

Am Abend machte sie Suppe, die nach Salz und Kräutern schmeckte, und brachte mir eine Schale. Ich konnte nicht viel davon essen, aber es war genug, um mich für ein paar Stunden wie einen Menschen zu fühlen.

„Vielleicht bleiben wir doch“, sagte ich irgendwann, als wir beide auf der Couch saßen, der Hund zu unseren Füßen.

„Vielleicht“, sagte sie, und ihre Stimme klang genauso müde wie der Himmel draußen aussah.

Und dann war da wieder diese Stille, die so typisch für Moguéran war, so dicht und schwer, dass sie sich wie ein weiteres Möbelstück anfühlte, ein Teil des Hauses, der nicht verschwinden würde, egal, wie lange wir blieben.