As Time Goes By

Träume in der Seele

Das Ding mit den Träumen ist ja, dass sie immer irgendwie schiefhängen. Wie ein Poster an der Wand, das mit Klebeband befestigt ist – Anfangs noch straff, irgendwann biegt sich der Rand nach vorne, und du weißt, es dauert nicht mehr lange, bis das ganze Ding runterfällt. Genau so fühlt sich das an, wenn du zu lange träumst. Die Realität zieht am Klebeband. Oder besser: reißt daran wie ein Hund an der Leine.

Ich sitze in diesem Café, das immer nach verbranntem Kaffee und leicht fauligem Wasser riecht. Keine Ahnung, warum ich überhaupt herkomme. Wahrscheinlich, weil es hier niemanden interessiert, ob du drei Stunden mit demselben leeren Glas sitzt. Keine Blicke, keine Fragen. In der Ecke läuft ein Ventilator, der mehr Staub wirbelt, als dass er die Luft kühlt. Es ist eine Art Neutralzone. Keiner will hier sein, aber jeder bleibt. Vielleicht genau deshalb.

„Und? Was gibt’s Neues?“, fragt Tobi. Er sitzt mir gegenüber, die Arme locker auf dem Tisch verschränkt. Tobi ist einer dieser Typen, die immer nach frischer Wäsche riechen, selbst wenn sie seit zwei Tagen das gleiche Hemd tragen. Keine Ahnung, wie er das macht. Sein Gesicht hat die Art von Gleichgültigkeit, die Leute dazu bringt, ihm mehr anzuvertrauen, als sie sollten. Vielleicht, weil sie denken, er hört sowieso nicht richtig zu.

„Nicht viel“, sage ich, obwohl das eine Lüge ist. Es gibt immer was Neues. Aber die Wahrheit ist kompliziert, und ich habe nicht die Energie, sie zu sortieren. Tobi hebt eine Augenbraue, sagt aber nichts. Ein weiterer Punkt für ihn – er weiß, wann er die Klappe halten muss.

Ein Mädchen sitzt zwei Tische weiter und kritzelt irgendwas in ein Notizbuch. Ihre Haare sind in einem chaotischen Dutt, und sie trägt diese großen Kopfhörer, die so aussehen, als könnten sie die Welt ausblenden. Ich stelle mir vor, was sie da schreibt. Vielleicht ein Gedicht über das Café und seinen Geruch. Vielleicht eine Liste mit Dingen, die sie hassen würde, wenn sie sich trauen würde, es laut zu sagen. Irgendwas daran fesselt mich. Nicht sie – eher die Idee, dass sie etwas festhalten will, das für andere längst verdunstet ist.

„Du starrst“, sagt Tobi plötzlich. Sein Ton ist neutral, aber ich weiß, dass er mich beobachtet. Tobi beobachtet immer, und das ist manchmal mehr Fluch als Segen. „Was? Nein“, sage ich, obwohl es keinen Sinn hat zu leugnen. Er schnaubt leise, lehnt sich zurück und sagt nichts mehr. Ich hasse das. Die Art, wie er mir Raum gibt, mich selbst um Kopf und Kragen zu reden.

Der Tag zieht sich wie Kaugummi. Ich gehe durch die Stadt, die immer einen Hauch von Öl und nassem Beton in der Luft hat. Straßenbahnen quietschen, und irgendwo streitet sich ein Paar lautstark über irgendwas Banales. Wahrscheinlich, wessen Schuld es ist, dass die Milch leer ist. Ich bleibe stehen, schaue in ein Schaufenster, das Sonnenbrillen ausstellt, die ich mir nicht leisten kann, und denke: Irgendwann kaufe ich mir eine. Nicht, weil ich sie brauche, sondern weil ich es kann.

Mein Handy vibriert. Anna. Natürlich. Sie schreibt, dass sie später vorbeikommt. Keine Frage, nur eine Ansage. Das ist Annas Art. Sie ist wie ein Sturm, der auftaucht, ohne sich anzukündigen. Manchmal erfrischend, meistens zerstörerisch. Ich überlege, ob ich antworte, stecke das Handy dann aber wieder weg. Sie kommt sowieso. Immer.

Anna steht irgendwann in der Tür, ohne geklopft zu haben. Ihr Lächeln ist eine Mischung aus Triumph und Trotz, und ihre Augen glitzern auf diese Art, die dir sagt, dass du besser nicht fragst, was sie getan hat. „Ich brauche einen Drink“, sagt sie, als ob das eine Entschuldigung wäre. Sie trägt eine Jacke, die viel zu groß für sie ist, und ihre Schuhe sind voller Staub. „Du hast wieder Blödsinn gemacht, oder?“, frage ich, während ich eine Flasche Wein öffne, die ich eigentlich für bessere Gelegenheiten aufheben wollte. „Blödsinn? Nein. Abenteuer“, sagt sie und grinst. Ihr Grinsen hat diese ansteckende Qualität, die dich vergessen lässt, dass es wahrscheinlich Chaos bedeutet.

Wir trinken, und sie erzählt. Von einer Party, von einem Typen, der zu viel redete und zu wenig verstand. Von einem Jobangebot, das sie abgelehnt hat, weil es „zu normal“ klang. Anna hat dieses Talent, alles wie eine große Entscheidung klingen zu lassen, selbst wenn es nur um die Wahl zwischen zwei Kaffeesorten geht. „Du verstehst das nicht“, sagt sie irgendwann, und ich nicke, obwohl sie recht hat. Ich verstehe es wirklich nicht.

Später sitzen wir schweigend da. Der Wein ist fast leer, und Anna schaut aus dem Fenster, als könnte sie irgendwo da draußen die Antwort auf all ihre Fragen finden. „Weißt du“, sagt sie plötzlich, „manchmal glaube ich, dass wir nur existieren, um Dinge zu vermasseln.“ Ihr Ton ist leise, fast brüchig. Ich weiß nicht, ob ich widersprechen oder zustimmen soll, also sage ich nichts.

Anna dreht sich zu mir um, ihre Augen suchen meine, und für einen Moment ist die Stille zwischen uns schwerer als alles andere. „Danke“, sagt sie schließlich, und es klingt fast wie ein Geständnis. Dann steht sie auf, greift nach ihrer Jacke und verschwindet, bevor ich irgendwas erwidern kann.

Ich sitze da, noch lange nachdem sie gegangen ist, und starre auf die leere Flasche. Die Stadt ist still geworden, bis auf das gelegentliche Heulen eines Hundes in der Ferne. Ich denke an Annas Worte, an die Art, wie sie „Danke“ gesagt hat, als wäre es das Schwerste der Welt. Vielleicht war es das auch. Manche Dinge bleiben hängen, wie ein Lied, das du nicht mehr aus dem Kopf bekommst. Dieses Gefühl – dass alles schiefhängt, aber irgendwie trotzdem hält.

Ich nehme mein Handy und schreibe ihr eine Nachricht. „Alles okay?“, tippe ich, lösche es dann aber wieder. Sie antwortet sowieso nicht. Träume sind wie Klebeband. Sie halten, bis sie es nicht mehr tun. Aber vielleicht reicht das manchmal.

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