As Time Goes By

Supermarkt nach Mitternacht

Ich stehe vor den automatischen Glastüren, die sich mit einem leisen Zischen vor mir öffnen. Kälte schlägt mir entgegen, diese spezielle Supermarktkälte, die irgendwie anders ist als die normale Nachtkühle draußen. Es ist kurz nach Mitternacht, und der Laden ist fast menschenleer. Warum ich hier bin? Keine Ahnung. In meinem Kopf gibt es nur den vagen Gedanken, dass ich etwas Wichtiges besorgen muss, aber was genau, das weiß ich nicht.

Die Neonröhren an der Decke summen leise, ein monotones elektrisches Lied, das sich mit der belanglosen Fahrstuhlmusik aus den Lautsprechern vermischt. Der Boden glänzt frisch gewischt, riecht nach billigem Zitronenreiniger. Meine Schritte hallen unnatürlich laut. Ich nehme einen der wenigen Einkaufswagen, dessen eine Rolle quietscht, als hätte sie Schmerzen. Der Griff fühlt sich klebrig an.

„Willkommen beim Nachtservice“, sagt eine Frau an der einzigen offenen Kasse. Sie lächelt mechanisch, aber ihre Augen sind leer, als hätte jemand den Stecker gezogen. „Wenn Sie Hilfe brauchen, fragen Sie einfach.“

Ich nicke nur und schiebe meinen protestierenden Wagen in den ersten Gang. Obst und Gemüse, alles in diesem seltsamen Licht, das die Farben gleichzeitig intensiver und unnatürlicher macht. Die Äpfel glänzen wie poliert, zu perfekt. Ich strecke die Hand aus, berühre einen. Er fühlt sich warm an, nicht kühl wie ein Apfel sein sollte. Als ich ihn zurücklege, hinterlässt mein Finger einen leichten Abdruck, der langsam wieder verschwindet.

Weiter hinten im Laden höre ich ein Rumpeln, dann das Klirren von Glas. Ich sollte nachsehen, denke ich, aber meine Füße tragen mich wie von selbst zum nächsten Gang. Konserven. Hunderte von identischen Dosen, die mich mit ihren bunten Etiketten anstarren. Ich kann die Marken nicht richtig lesen, die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen, formieren sich neu, werden zu kryptischen Zeichen.

„Sie sehen aus, als hätten Sie sich verlaufen“, sagt plötzlich eine Stimme hinter mir.

Ich drehe mich um und sehe einen älteren Mann in der blauen Uniform der Marktangestellten. Sein Namensschild ist leer. Er hat dieses Gesicht, das irgendwie vertraut wirkt, ohne dass ich sagen könnte, woher ich ihn kenne. Seine Augen sind sehr hell, fast durchsichtig.

„Ich suche etwas“, sage ich. „Aber ich weiß nicht genau, was.“

„Das ist hier oft so“, nickt er verständnisvoll. „Nachts kommen die Leute her und suchen Dinge, die sie nicht benennen können. Folgen Sie mir.“

Er dreht sich um und geht voraus, ohne zu prüfen, ob ich ihm folge. Seine Schritte machen kein Geräusch auf dem Linoleumboden. Ich lasse meinen Wagen stehen und gehe hinter ihm her.

„Die meisten Kunden“, sagt er, während wir durch einen Gang mit Reinigungsmitteln laufen, „kaufen am Tag die Dinge, die sie brauchen. Aber nachts…“ Er macht eine vage Handbewegung. „Nachts kommen die, die etwas suchen, was sie verloren haben.“

Die Flaschen und Packungen um uns herum scheinen zu leuchten, als enthielten sie fluoreszierendes Material. Der Geruch von Chemikalien ist überwältigend, beißend, aber gleichzeitig seltsam beruhigend.

„Haben Sie etwas verloren?“, fragt er mich über die Schulter.

„Ich… ich weiß es nicht.“ Die Wahrheit ist, dass mir die Frage noch nie gestellt wurde. Habe ich etwas verloren? Die Frage bohrt sich in mein Bewusstsein und hinterlässt ein unangenehmes Gefühl. Als hätte ich einen wichtigen Termin vergessen.

Wir biegen in einen neuen Gang ein, und plötzlich ändert sich die Atmosphäre. Die Decke scheint höher zu sein, der Raum weiter. Die Regale hier enthalten keine üblichen Supermarktprodukte. Stattdessen sehe ich Gegenstände, die ich nicht sofort identifizieren kann. Dinge in verschiedenen Formen und Größen, manche leuchten schwach, andere scheinen das Licht zu absorbieren.

„Hier finden wir vielleicht, was Sie suchen“, sagt der Mann und bleibt stehen. „Nehmen Sie sich Zeit. Manchmal erkennt man es erst, wenn man es sieht.“

Ich trete näher an die Regale heran. Auf einem niedrigen Brett liegt etwas, das wie ein altes Fotoalbum aussieht. Als ich es berühre, spüre ich eine Wärme, die durch meine Fingerspitzen in meinen Arm zu fließen scheint. Ich öffne es, aber die Seiten sind leer. Doch als ich länger hinschaue, beginnen sich verschwommene Formen zu bilden, wie Bilder, die langsam aus einem Entwicklerbad auftauchen.

„Es ist noch nicht bereit“, sagt der Mann sanft und nimmt mir das Album aus der Hand. „Aber bald.“ Er stellt es zurück.

Weiter hinten im Regal steht eine alte Spieluhr. Als ich näher komme, beginnt sie von selbst zu spielen, eine Melodie, die ich kenne, aber nicht benennen kann. Sie macht mich unsagbar traurig, und gleichzeitig fühlt es sich an, als würde etwas in mir heilen.

„Kommt Ihnen das bekannt vor?“, fragt der Mann.

„Ja. Nein. Ich weiß nicht.“ Ich bin verwirrt, aber nicht beunruhigt. Alles fühlt sich an wie ein Traum, in dem die normale Logik ausgesetzt ist, aber trotzdem alles einen versteckten Sinn hat.

„Lassen Sie uns weitergehen“, sagt er.

Wir kommen an einer Tiefkühltruhe vorbei, aus der dünne Nebelschwaden aufsteigen. Ich bleibe stehen und schaue hinein. Statt Tiefkühlkost sehe ich kleine gefrorene Landschaften – miniaturisierte Seen, Wälder, Berge. In einer der Eisschollen erkenne ich ein winziges Haus, aus dessen Schornstein Rauch aufsteigt.

„Die Erinnerungen anderer Leute“, erklärt der Mann. „Manchmal lassen Kunden sie hier, absichtlich oder nicht.“

Ich bin wie hypnotisiert von diesen winzigen Welten. Besonders eine zieht mich an – ein kleiner Strand mit blauem Wasser, so lebendig, dass ich fast das Rauschen der Wellen höre. Ich strecke die Hand aus, um sie zu berühren.

„Vorsicht“, warnt der Mann. „Fremde Erinnerungen können verwirrend sein.“

Als meine Fingerspitzen die kalte Oberfläche berühren, durchfährt mich ein Schauer. Für einen kurzen Moment bin ich woanders – ich spüre Sand zwischen meinen Zehen, Salzwasser auf meiner Haut, höre Kinderlachen. Dann bin ich wieder zurück im Supermarkt, etwas benommen.

„Interessant“, murmelt der Mann. „Kommt Ihnen das bekannt vor?“

„Es fühlt sich an wie ein Ort, an dem ich schon einmal war“, antworte ich. „Aber das kann nicht sein. Es war nicht meine Erinnerung.“

„Vielleicht doch“, sagt er rätselhaft und geht weiter.

Der nächste Gang ist voller Uhren. Nicht die üblichen Wanduhren, die man im Haushaltswarenbereich findet, sondern ungewöhnliche Exemplare. Manche ticken vorwärts, andere rückwärts. Einige haben Zeiger, die sich in seltsamen Mustern bewegen, als würden sie einem anderen Konzept von Zeit folgen. Eine besonders alte Standuhr zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ihr Zifferblatt zeigt keine Zahlen, sondern Symbole, die ich nicht verstehe.

Der Mann bemerkt mein Interesse. „Zeituhren“, sagt er. „Jede repräsentiert einen anderen Weg, den die Zeit nehmen kann. Manche Menschen finden hier den Weg zurück zu einer Abzweigung, die sie verpasst haben.“

Ich schaue auf die alte Standuhr. Als ich deren Pendel berühre, beginnt sie zu schlagen, obwohl ich sie nicht aufgezogen habe. Der Klang ist tief und vibrierend, wie ein Herzschlag.

Plötzlich stehen wir vor einer Tür am Ende des Ganges. Sie ist unscheinbar, aus einfachem Holz, mit einem alten Messingknauf. Sie passt nicht zum Rest des Supermarkts.

„Dahinter könnte sein, was Sie suchen“, sagt der Mann. „Aber ich muss Sie warnen – was Sie finden, ist vielleicht nicht das, was Sie erwarten.“

Die Tür scheint mich anzuziehen, als hätte sie ein eigenes Gravitationsfeld. Meine Hand bewegt sich wie von selbst zum Türknauf.

„Werde ich zurückkommen können?“, frage ich.

Der Mann lächelt zum ersten Mal richtig. Es verändert sein ganzes Gesicht, macht ihn jünger. „Die Frage ist eher: Werden Sie zurückkommen wollen?“

Ich drehe den Knauf und öffne die Tür. Dahinter ist keine Lagerraum oder Büro, wie ich vielleicht erwartet hätte. Stattdessen sehe ich einen weiteren Supermarktgang, aber er sieht anders aus – die Beleuchtung ist wärmer, die Regale sind aus dunklem Holz statt aus Metall, und er ist voller Menschen. Sie schieben ihre Einkaufswagen umher, nehmen Produkte aus den Regalen, unterhalten sich. Es wirkt wie eine Szene aus einem älteren Film, die Kleidung der Menschen ist nicht ganz zeitgemäß, aber auch nicht eindeutig aus einer bestimmten Epoche.

„Was ist das?“, flüstere ich.

„Ein anderer Markt“, antwortet der Mann. „In einer anderen Zeit. Manche finden hier, was sie in ihrer eigenen vermissen.“

Ich trete durch die Tür und merke sofort, dass die Luft anders riecht – nach frisch gebackenem Brot, Kaffee und etwas, das ich nicht gleich identifizieren kann. Es riecht nach… Zuhause? Die Menschen um mich herum beachten mich nicht, als wäre ich unsichtbar oder als gehörte ich ganz selbstverständlich hierher.

In der Mitte des Ganges steht eine Frau mit dem Rücken zu mir. Etwas an ihrer Haltung, an der Art, wie sie den Kopf leicht zur Seite neigt, während sie ein Produkt studiert, kommt mir bekannt vor. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Ich gehe auf sie zu, möchte ihr Gesicht sehen.

In diesem Moment dreht sie sich um, und ich erkenne sie. Es ist jemand, den ich kenne – nein, kannte. Jemand, der nicht mehr Teil meines Lebens ist. Nicht durch Tod, sondern durch die tausend kleinen Entscheidungen, die Menschen voneinander entfernen. Sie sieht mich direkt an, und für einen Moment glaube ich, dass sie mich erkennt. Doch dann geht ihr Blick durch mich hindurch, und sie wendet sich ab, geht weiter.

Ich will ihr folgen, aber meine Füße sind wie festgewachsen. Die Szene um mich herum beginnt zu verschwimmen, die Farben verblassen, die Geräusche werden dumpfer. Es fühlt sich an, als würde ich durch dickes Wasser waten, als ich versuche, mich zu bewegen.

„Es ist noch nicht Zeit“, höre ich die Stimme des Mannes hinter mir. „Oder vielleicht ist es schon zu spät. Das müssen Sie selbst herausfinden.“

Die Welt dreht sich, oder vielleicht bin ich es, der sich dreht. Als alles wieder stillsteht, bin ich zurück im ursprünglichen Supermarkt, vor der nun geschlossenen Holztür. Der Mann steht neben mir, sein Gesicht wieder ausdruckslos.

„Haben Sie gefunden, was Sie gesucht haben?“, fragt er.

Ich öffne den Mund, um zu antworten, aber ich weiß nicht, was ich sagen soll. Hatte ich überhaupt etwas gesucht? Die Erinnerung an die Frau im anderen Supermarkt verblasst bereits, wie ein Traum beim Aufwachen.

„Ich bin mir nicht sicher“, sage ich schließlich.

„Das ist in Ordnung“, nickt er. „Manche Dinge brauchen Zeit. Und Zeit ist etwas, das wir hier reichlich haben.“ Er deutet auf die Uhren, die immer noch in ihren seltsamen Rhythmen ticken.

Wir gehen zurück durch die Gänge des Supermarkts, vorbei an den Tiefkühltruhen mit den gefrorenen Erinnerungen, den merkwürdigen Gegenständen in den Regalen. Der Laden erscheint mir jetzt größer, endloser. Immer wieder biegen wir um Ecken, durchqueren Abteilungen, die ich vorher nicht bemerkt hatte.

Eine davon ist voller Pflanzen – nicht die üblichen abgepackten Kräuter oder Blumensträuße, sondern lebende Pflanzen in allen Größen und Formen. Einige sehen aus wie normale Zimmerpflanzen, andere sind exotisch und fremd. In der Mitte steht ein großer Baum, der bis zur Decke reicht und dessen Zweige sich wie ein Netz ausbreiten.

„Der Gedächtnisbaum“, erklärt der Mann. „Er wächst aus den Geschichten, die die Menschen hier zurücklassen.“

Ich trete näher und sehe, dass an den Zweigen kleine Zettel hängen, wie Wunschzettel. Als ich einen davon berühre, höre ich ein flüsterndes Echo einer Stimme, die von einem längst vergangenen Sommertag erzählt.

„Möchten Sie auch etwas hinterlassen?“, fragt der Mann und reicht mir einen leeren Zettel und einen Stift, die scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht sind.

Ich nehme beides, starre auf das leere Papier. Was könnte ich aufschreiben? Welche Geschichte würde ich dem Baum anvertrauen wollen? Ich denke an die Frau im anderen Supermarkt, an das Gefühl, das ich hatte, als ich sie sah. An all die ungesagten Worte, die zwischen uns hängengeblieben sind.

Langsam beginne ich zu schreiben. Die Worte fließen aus mir heraus, als hätten sie nur auf diesen Moment gewartet. Als ich fertig bin, falte ich den Zettel und hänge ihn an einen der tieferen Zweige. Der Baum scheint leicht zu erzittern, als würde er meinen Beitrag willkommen heißen.

„Ein guter Anfang“, sagt der Mann anerkennend. „Für manche ist das der schwerste Teil – loszulassen.“

Wir gehen weiter, und irgendwann erreichen wir wieder die normale Supermarktabteilung mit den Konserven und Nudeln. Mein quietschender Einkaufswagen steht noch genau dort, wo ich ihn zurückgelassen habe. Die Normalität dieser Szene wirkt nach allem, was ich gesehen habe, seltsam surreal.

„Was jetzt?“, frage ich.

„Jetzt“, sagt der Mann, „könnten Sie einkaufen, was Sie ursprünglich wollten. Oder Sie könnten gehen. Oder…“ Er lässt den Satz unvollendet in der Luft hängen.

„Oder ich könnte zurückgehen? Zu der Tür?“

„Es gibt viele Türen in diesem Supermarkt“, antwortet er ausweichend. „Manche führen hinaus, manche hinein, manche zu Orten dazwischen.“

Ich überlege. Was will ich wirklich? Zurück zu dieser Frau, dieser vergangenen Version meines Lebens? Oder nach Hause, wo auch immer das sein mag? Oder will ich mehr von diesem seltsamen Ort erkunden, mehr von seinen Geheimnissen entdecken?

„Ich glaube“, sage ich langsam, „ich möchte noch ein wenig bleiben. Es gibt noch andere Dinge, die ich finden möchte.“

Der Mann nickt, als hätte er keine andere Antwort erwartet. „Die meisten sagen das. Folgen Sie mir. Es gibt noch viele Abteilungen, die Sie nicht gesehen haben.“

Er führt mich tiefer in den Supermarkt, in Bereiche, die von außen unmöglich in dem Gebäude Platz haben könnten. Wir passieren eine Abteilung, in der ausschließlich verschiedene Arten von Licht verkauft werden – nicht Lampen oder Glühbirnen, sondern tatsächliches Licht in Gläsern und Flaschen. Sonnenlicht in verschiedenen Tageszeiten, Mondlicht, das sanfte Leuchten von Glühwürmchen, das grelle Flackern von Neonröhren.

„Für die dunklen Tage“, erklärt der Mann, als er bemerkt, wie ich ein Glas mit warmem Spätnachmittagslicht betrachte.

Eine weitere Abteilung ist voller Bücher, aber wenn ich eines öffne, sind die Seiten leer, bis ich beginne, daran zu denken, was ich lesen möchte. Dann erscheinen Worte, manchmal Geschichten, die ich kenne, manchmal solche, die neu für mich sind, aber genau das erzählen, was ich in diesem Moment brauche.

Wir kommen an einer Kühltruhe vorbei, in der kleine Flaschen mit einer klaren Flüssigkeit stehen. Auf den Etiketten stehen Namen von Gefühlen – „Freude“, „Melancholie“, „Gelassenheit“, „Vorfreude“.

„Emotionsextrakte“, sagt der Mann. „Sehr beliebt bei Leuten, die etwas vermissen oder vergessen haben, wie sich bestimmte Dinge anfühlen.“

„Kann man die kaufen?“, frage ich.

„Man kann sie mitnehmen, wenn man einen gleichwertigen Tausch anbietet.“

„Was wäre gleichwertig zu Freude?“

Der Mann lächelt geheimnisvoll. „Das ist bei jedem anders. Manche tauschen Erinnerungen, manche Träume, manche geben ein Versprechen.“

Ich betrachte die Flaschen, fasziniert von der Idee, dass Gefühle so greifbar sein könnten. Eine besonders kleine Flasche zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ihr Etikett liest „Wiedersehen“ – eine seltsame Bezeichnung für ein Gefühl.

„Diese hier“, sage ich und deute darauf.

„Eine schwierige Wahl“, nickt der Mann anerkennend. „Der Preis ist eine Garantie.“

„Was für eine Garantie?“

„Dass Sie tatsächlich zurückkehren. Zu dem, was Sie verlassen haben.“

Ich denke an die Frau im anderen Supermarkt, an das Gefühl, als ich sie sah. An die Sehnsucht, die ich verspürte, und gleichzeitig an die Unsicherheit. Wäre es wirklich gut, zurückzugehen? Oder würde ich nur alte Wunden wieder aufreißen?

„Ich nehme sie“, höre ich mich selbst sagen, überrascht von meiner Entscheidung.

Der Mann nimmt die kleine Flasche aus der Truhe und reicht sie mir. Sie ist kalt in meiner Hand, aber nicht unangenehm. „Die Garantie?“, fragt er.

Ich zögere nur kurz. „Ich garantiere, dass ich zurückkehren werde. Zu dem, was ich verlassen habe.“

Er nickt, als wäre damit ein Vertrag besiegelt. Die Flasche in meiner Hand scheint kurz aufzuleuchten, dann wird sie wieder normal.

„Und jetzt?“, frage ich.

„Jetzt“, sagt er, „ist es Zeit zu gehen. Der Supermarkt schließt bald für diese Nacht.“

Tatsächlich beginnen die Lichter um uns herum langsam zu dimmen, als ob der Laden sich auf die Schließung vorbereitet. Die Musik aus den Lautsprechern wird leiser, die Atmosphäre verändert sich.

Der Mann führt mich zurück zum Haupteingang, vorbei an der Kassiererin, die immer noch mit leerem Blick an ihrer Station sitzt. Ich habe nichts gekauft, außer der kleinen Flasche „Wiedersehen“, die ich in meiner Jackentasche spüre.

„Werden Sie wiederkommen?“, frage ich den Mann, als wir vor den Glastüren stehen.

„Ich bin immer hier“, antwortet er. „In diesem Supermarkt nach Mitternacht.“

Die Türen öffnen sich mit dem gleichen Zischen wie bei meiner Ankunft. Draußen ist es immer noch Nacht, aber irgendwie anders – klarer, definierter. Als hätte die Welt an Schärfe gewonnen.

„Vergessen Sie Ihre Garantie nicht“, sagt der Mann zum Abschied.

Ich nicke und trete hinaus. Die kalte Nachtluft empfängt mich, fühlt sich erfrischend an nach der künstlichen Atmosphäre des Supermarkts. Als ich mich umdrehe, um noch einen letzten Blick zurückzuwerfen, sehe ich, dass der Laden bereits dunkel ist. Nur ein schwaches Licht brennt noch irgendwo tief im Inneren, wie ein entfernter Stern.

Die kleine Flasche in meiner Tasche pulsiert warm gegen meine Haut, eine Erinnerung an mein Versprechen. Ich beginne zu gehen, nicht sicher, wohin meine Schritte mich führen werden, aber mit dem Gefühl, dass ich etwas Wichtiges gefunden habe – oder vielleicht erst noch finden werde.

Der Supermarkt verschwindet hinter mir in der Dunkelheit, aber ich weiß, dass er dort sein wird, wenn ich zurückkehre. Nach Mitternacht, wenn die Grenzen verschwimmen und die Regale sich mit Dingen füllen, die man tagsüber nicht kaufen kann. Wenn die Zeit fließend wird und verlorene Dinge gefunden werden können.

In dieser Nacht träume ich von Türen, die sich öffnen, von Gesichtern, die ich kenne und die ich vergessen habe, und von Versprechen, die darauf warten, eingelöst zu werden.

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