As Time Goes By
Reisen

Die Klippen standen wie zerbrochene Rippen einer urzeitlichen Bestie, schwarz gegen den grauen Himmel, dessen Wolken in Schlieren aus Metall und Rauch zerflossen. Der Sturm war gekommen, ohne Vorwarnung, eine Präsenz, die mehr spürbar als sichtbar war – ein gewaltiger Atem, der die Luft mit Elektrizität und Salz füllte. Der Wind schrie, und es klang nicht wie Natur, sondern wie das unaufhörliche Klagen einer Welt, die sich selbst nicht mehr ertragen konnte.
Am Rand der Klippen: ein Mann, oder das, was von ihm übrig war. Sein Gesicht war verwittert, gezeichnet von der Art von Linien, die Zeit nicht allein hinterlässt. Die Fäuste tief in den Taschen seines Mantels vergraben, blickte er auf das Meer, das nicht Wasser war, sondern eine bewegte, lebendige Fläche aus Schatten und Licht. Wellen, die schienen, als wollten sie den Himmel verschlingen, türmten sich auf, stürzten zusammen und formten sich erneut, immer im selben erbarmungslosen Rhythmus.
Über ihm kreisten Jets, deren Silhouetten in einem seltsamen Kontrast zur urtümlichen Szenerie standen. Ihre Motoren röhrten, schnitten durch die Luft wie Dolche, hinterließen Kondensstreifen, die sich in endlosen Spiralen verflochten. Es war, als würde der Himmel selbst in Fetzen gerissen, während das Meer unter ihnen nach oben griff, ein stummer Krieg zwischen Elementen und Maschinen.
„Neckermann Reisen“, murmelte der Mann, und sein Mund verzog sich zu einem Grinsen, das keine Freude kannte. Ein Name, eine Erinnerung, ein Fragment aus einer anderen Zeit. Eine Broschüre, die einst auf seinem Küchentisch gelegen hatte, mit lächelnden Gesichtern und einem blauen Himmel, der jetzt wie eine bittere Lüge erschien. Die Worte klangen absurd, eine Farce gegen die rohe Gewalt der Realität, in der er stand.
Doch dann, ein Wechsel – unmerklich zunächst, aber plötzlich allumfassend. Der Sturm wich zurück, und die Klippen wurden zu einem grellen Strand aus zerstoßenem Glas. Das Meer hatte seine Farbe verloren, schimmerte jetzt wie Quecksilber, und die Jets, die eben noch dröhnten, waren nichts weiter als leise summende Punkte am Horizont. Die Luft war still. Zu still.
Eine Gestalt näherte sich, aus der Ferne, langsam, als ob sie gegen unsichtbaren Widerstand ging. Eine Frau, gekleidet in einem Kleid aus schimmernden Algen, das bei jedem Schritt Wellen aus Wasser und Licht zu werfen schien. Ihre Augen waren von einer seltsamen Leere, als hätten sie alle Farben verschluckt, die der Himmel nicht mehr tragen konnte. „Bist du gekommen, um zu springen?“ fragte sie, ihre Stimme klar, aber mit einem Unterton, der wie gebrochene Gläser klang.
„Springen?“ Der Mann lachte, und sein Lachen war wie ein Aufschrei, der keinen Platz in dieser Welt hatte. „Ich bin längst gefallen.“
Die Klippen kehrten zurück. Der Sturm kehrte zurück. Alles war zurück und doch verändert, als ob der Übergang nur ein Atemzug gewesen wäre, eine Vision oder ein Fehler in der Erzählung. Jetzt schienen die Klippen höher, die Wellen wilder, der Wind schärfer. Am Horizont zeichnete sich ein Licht ab, grell und künstlich, ein Blitz, der nicht vergeht.
„Neckermann Reisen“, flüsterte der Wind diesmal, und es war nicht der Mann, der sprach. Die Worte schienen aus dem Meer selbst zu kommen, aus der Tiefe, wo Schatten lauerten, die niemals Tageslicht sehen sollten.
Ein letzter Blick in den Himmel. Die Jets waren zurück, doch sie flogen nicht mehr. Sie hingen wie unbewegliche Scherenschnitte, Symbole in einer Geschichte, die sich ihrem Ende näherte. Die Frau war verschwunden, und das Kleid aus Algen lag am Rand der Klippe, eine feuchte Erinnerung, die langsam in die Dunkelheit zurücksickerte.
Dann, Stille.
Und der Sprung, der nie endete.