As Time Goes By

Moguéran im Herbst – Ein Strandspaziergang

Moguéran. Herbst. Aber der milde, goldene Herbst, bei dem die Sonne noch kräftig genug ist, die Haut aufzuwärmen, während der Wind einem salzig über die Wangen streicht. Marie läuft ein paar Meter vor mir, in einem dünnen, weißen Kleid, das sie in einem ihrer „Was soll’s“-Momente aus dem Schrank geholt hat. Sie hält es an den Seiten fest, damit es nicht zu sehr flattert.

„Schau mal, die hier ist perfekt!“ Sie dreht sich um, eine Muschel in der Hand, groß und makellos weiß. Ihre Augen leuchten, als hätte sie gerade einen Schatz gefunden.

„Eine Muschel?“, sage ich.

„Nicht irgendeine. Die hier ist besonders.“

Ich zucke die Schultern, grinse. „Klar. Besonders, wie jede andere Muschel an diesem Strand.“

„Du hast einfach keinen Sinn für Details.“ Sie wirft mir einen halbherzigen bösen Blick zu und dreht sich wieder um, ihre nackten Füße graben sich in den weichen Sand.


Der Strand von Moguéran ist um diese Jahreszeit fast leer. Ein paar alte Paare gehen spazieren, Hunde jagen Möwen, und irgendwo in der Ferne läuft ein Junge mit einem Drachen. Das Rauschen der Wellen übertönt fast alles, nur gelegentlich dringt das Lachen von Kindern herüber.

„Du könntest mal was aufheben“, ruft Marie über die Schulter, ohne sich umzudrehen.

„Ich sammle nicht.“

„Genau. Du machst ja überhaupt nichts.“

„Ich bin der stille Genießer“, sage ich und lasse mich in den Sand fallen. Der ist überraschend warm.

Marie bleibt stehen, blickt sich um, und ich sehe, wie ihr Haar vom Wind durcheinandergewirbelt wird. Sie sieht aus, als wäre sie einer alten Postkarte entsprungen.


Nach einer Weile kommt sie zurück, ihre Hände voll mit Muscheln und Steinen. Sie lässt sich neben mir nieder und fängt an, die Fundstücke zu sortieren. Ich lehne mich zurück, stütze mich auf die Ellbogen und starre aufs Wasser.

„Denkst du jemals darüber nach, wie es wäre, woanders zu sein?“, fragt sie plötzlich, ohne den Blick von den Muscheln zu heben.

„Woanders? Du meinst Paris? Oder irgendein anderer Ort, wo du nicht jeden zweiten Menschen kennst?“

„Zum Beispiel.“

„Nein.“

„Nein?“

„Nein. Hier ist es ruhig. Das mag ich.“

Sie lacht, schüttelt den Kopf. „Du und deine Ruhe. Weißt du, manchmal denke ich, dass du dich vor der Welt versteckst.“

„Vielleicht.“


Die Sonne steht jetzt tiefer, wirft lange Schatten über den Strand. Ich hole zwei Flaschen Bier aus dem Rucksack, den ich mehr aus Gewohnheit mitgenommen habe, als aus echter Notwendigkeit.

„Bier am Strand. Wie originell“, sagt Marie, nimmt aber trotzdem eine Flasche.

„Du trinkst es doch.“

„Weil es da ist.“

Wir schweigen eine Weile. Der Wind wird kühler, und ich ziehe meine Jacke enger um mich.

„Weißt du, was ich an dir nicht verstehe?“, sagt sie schließlich.

„Alles?“

„Du könntest so viel mehr aus deinem Leben machen.“

„Und du könntest aufhören, mir das ständig zu sagen.“

„Das wird nie passieren.“


Die Nacht kommt schnell, wie sie es hier immer tut. Wir laufen zurück zum Dorf, vorbei an den kleinen Fischerhütten und dem Hafen, wo die Boote im Takt der Wellen schaukeln.

„Weißt du noch, als wir das erste Mal hier waren?“, fragt sie, ohne sich umzudrehen.

„Klar. Du bist ausgerutscht und in die Pfütze gefallen.“

„Und du hast gelacht, statt mir zu helfen.“

„Du sahst lustig aus.“

„Du bist ein Idiot.“

„Möglich.“


Zurück in der Wohnung breitet Marie ihre gesammelten Muscheln auf dem Küchentisch aus. Ich sehe zu, wie sie sie reinigt, jedes einzelne Stück sorgfältig abspült und auf ein Handtuch legt.

„Was machst du eigentlich mit all den Sachen?“, frage ich, obwohl ich die Antwort schon kenne.

„Ich behalte sie. Manchmal male ich was drauf.“

„Und dann?“

„Dann liegen sie rum, bis ich sie irgendwann wegwerfe.“

Ich nicke. Das ist typisch Marie. Dinge sammeln, Dinge loslassen.


Später sitzen wir auf dem Balkon, der Wein ist offen, und die Lichter des Hafens spiegeln sich im Wasser. Marie raucht eine Zigarette, zieht den Rauch tief ein, als würde sie nachdenken.

„Ich liebe diesen Ort“, sagt sie plötzlich.

„Das klang vorhin anders.“

„Ich weiß. Aber ich liebe ihn trotzdem.“

Ich sehe sie an, und für einen Moment ist da diese Stille, die mehr sagt als Worte.

„Dann geh nicht weg“, sage ich schließlich, leise.

Sie dreht sich zu mir, ein Lächeln auf den Lippen, das zugleich traurig und wunderschön ist. „Vielleicht bleibe ich. Vielleicht.“

Das Rauschen der Wellen klingt wie ein Versprechen, das keiner von uns halten wird.

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