As Time Goes By

Le Petit Rien

Der Regen klatschte gegen die Fenster des „Le Petit Rien“, so heftig, dass die Tropfen wie kleine Explosionen auf dem Glas wirkten. Der Name passte zur Stimmung: ein kleines Nichts, mitten in Moguéran, wo der Wind jeden Versuch von Eleganz oder Großstadtflair in Sekundenschnelle davonzog. Es roch nach feuchtem Holz und abgestandenem Bier, aber irgendwie hatte das seinen eigenen Charme. Claire lehnte am Tresen, eine Zigarette zwischen den Fingern, der Rauch kringelte sich wie in Zeitlupe nach oben.

„Du siehst aus, als würdest du gleich das Fenster einschlagen“, sagte sie, ohne mich direkt anzusehen.

„Vielleicht“, murmelte ich und schob mein Glas hin und her. Der Wein war billig, säuerlich, aber er tat seinen Job.

„Marie?“, fragte sie dann, fast beiläufig, aber mit dieser Schärfe, die sie immer in der Stimme hatte, wenn es um sie ging.

Ich zuckte mit den Schultern. Keine Nachricht. Seit Tagen. Vielleicht Wochen? Ich wusste es nicht mehr genau. Zeit floss hier anders, besonders im Winter, wenn die Tage wie ein einziger grauer Fleck ineinander übergingen.

„Lass sie laufen.“ Claire stubste ihre Zigarette in den Aschenbecher, aber die Glut hielt sich noch wacker. „Oder renn ihr hinterher, wenn dir das lieber ist. Aber häng nicht in diesem Zwischen-Dings rum. Macht dich nur noch miefiger.“

Ich lachte kurz auf. „Miefig? Das sagt die Frau, die seit fünf Jahren denselben Job in derselben Bar in diesem Kaff macht?“

„Touché.“ Sie grinste, schob mir eine neue Zigarette hinüber und zündete sie für mich an. Ich rauchte selten, aber heute war einer dieser Tage, an denen der Rauch einem wenigstens das Gefühl gab, irgendetwas loszuwerden.

„Hast du mal nachgedacht, wegzugehen?“, fragte sie plötzlich.

„Wo soll ich hin?“

„Keine Ahnung. Brest. Paris. Irgendwo, wo es nicht immer nach Algen und Schafmist riecht.“

Ich zog an der Zigarette, spürte den Rauch in meinen Lungen, kratzig und warm zugleich. Brest. Ich hasste Brest. Aber Claire hatte recht – alles war besser als hier zu sitzen und zu warten, dass etwas passierte.

„Ich geh raus“, sagte ich, schob das Glas zurück über den Tresen. „Später.“

Draußen peitschte der Wind mir sofort den Regen ins Gesicht. Es war fast komisch, wie unbarmherzig die Bretagne sein konnte, selbst an Tagen, die nicht wirklich schlimm waren. Der Hafen lag ruhig, nur ein paar Boote schwankten leicht in den Wellen, und die Laternen warfen flackernde Spiegelungen auf das Wasser.

Mein Handy vibrierte in der Tasche. Ein Moment der Hoffnung, ein kleines Stechen im Bauch. Vielleicht Marie?

Aber es war nur Jean, der fragte, ob ich morgen beim Markt helfen könnte. Ich tippte eine schnelle Antwort – ja, warum nicht? – und steckte das Handy zurück.

Die Straßen waren leer, nur ein paar Katzen huschten über die Pflastersteine. Ich lief langsam nach Hause, vorbei an den alten Fischerhäusern mit ihren bunten Fensterläden, die auch im Dunkeln leuchteten. Der Hund wartete schon, die Ohren gespitzt, als ich die Tür öffnete.

„Na, großer?“, sagte ich und kraulte ihn hinter den Ohren. Er wedelte, stubste meine Hand mit der Nase an und setzte sich dann neben den Tisch, wo noch immer die Kerze vom Vorabend stand.

Ich machte mir etwas zu essen – Brot, Käse, ein paar Oliven – und ließ mich auf den alten Stuhl am Fenster sinken. Der Hund legte sich zu meinen Füßen, zufrieden schnarchend, während ich kaute und hinausstarrte.

Marie hatte gesagt, sie mochte diesen Ort. „Moguéran ist… wie ein kleiner Urlaub vom Leben“, hatte sie einmal gesagt, während sie auf der Veranda saß und ihren Tee trank. Aber irgendwann reicht auch der Urlaub nicht mehr, hatte ich gemerkt. Und dann war sie gegangen, ohne große Worte, ohne Drama. Einfach weg.

Ich nahm einen Schluck Wein, ließ die Leere in der Flasche zusehen, wie sie langsam größer wurde. Der Regen trommelte noch immer gegen die Scheiben, der Wind pfiff durch die Ritzen. Ich dachte an Claire, an ihre Worte, an ihre Zigarette.

Vielleicht sollte ich wirklich nach Brest fahren. Aber morgen war Markt, und das hieß, ich würde den halben Tag mit Jean an seinem Stand stehen, Fisch ausnehmen und so tun, als ob mir die Kälte nichts ausmachte. Und danach? Danach wäre ich wieder hier, mit dem Hund und dem Wein und der leisen, dumpfen Erinnerung an das, was mal war.

Ich drückte die Zigarette aus, sah den Hund an, der im Schlaf zuckte.

„Vielleicht bist du der Klügste von uns beiden“, murmelte ich.

Er schnarchte weiter, und ich lächelte.

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