As Time Goes By
Am Abend
„Vielleicht. Aber das heißt nicht, dass es nicht stimmt.“ Sie verschwand in der Küche, und ich hörte, wie sie die Flasche suchte, den Korken zog, das Gluckern des Weins. Ich blieb, wo ich war, und ließ meinen Kopf gegen die Rückenlehne fallen. Die Zigarette war fast heruntergebrannt, und ich drückte sie in den Aschenbecher auf dem Tisch.
Als sie zurückkam, hielt sie die Flasche in der einen, ihr Glas in der anderen Hand. Sie reichte mir die Flasche, setzte sich dann wieder, die Decke jetzt enger um sich gewickelt. Weiterlesen
Moguéran
Marie hat auch Spuren hinterlassen. Eine halb volle Flasche Wein in der Küche, ihr Parfum auf meinem Kopfkissen, einen Strumpf, der unter meinem Bett liegt wie eine halb vergessene Drohung.
„Ruf mich an, wenn du soweit bist“, hat sie gesagt, bevor sie gegangen ist. Aber soweit bin ich nie.
Ich lege mich aufs Bett, so wie ich bin. Jeans, Pullover, alles. Das Licht durch die Fenster ist weich und schwer zugleich, drückt sich an die Wände wie ein Tier, das bleiben will. Ich schließe die Augen und sehe sie vor mir, Marie. Wie sie lächelt, wie sie ihre Haare zurückwirft, wie sie mich anschaut, als könnte ich mehr sein. Mehr als das hier. Weiterlesen
Kaffee und Kater
„Du bist wie dieser Fluss“, hat sie gesagt.
„Wie bitte?“
„Still, aber immer in Bewegung. Immer auf dem Weg zu irgendwas, aber nie da.“
Damals habe ich gelacht, aus Unsicherheit. Jetzt weiß ich, dass sie recht hatte.
Der Wind wird stärker, also drehe ich um. Zuhause mache ich das Fenster zu. Der Lippenstift liegt immer noch da. Ich nehme ihn, drehe ihn langsam zu und stelle ihn in den Badezimmerschrank, ganz nach hinten, wo ich ihn nicht sehen muss.
Die Nacht kommt, und ich lasse sie kommen. Liege im Bett, höre die Heizungsrohre klopfen. In meinem Kopf läuft ein Film, ohne Handlung, nur Bilder, Geräusche, Farben. Weiterlesen
Schnee
Es war dieser Schnee, der einen verschluckte, wie Watte in den Ohren, aber ohne die Wärme. Du trittst hinaus, und es ist, als hätte die Welt beschlossen, alles auf stumm zu schalten, als wären die Geräusche irgendwo anders, nicht hier, wo alles Weiß und Kälte ist. Ich zog die Jacke enger um mich, der Reißverschluss klemmte an der Stelle, an der er immer klemmte, und ich dachte kurz daran, sie einfach offenzulassen. Dann blies der Wind mir die Idee aus dem Kopf, so wie er alles aus dem Kopf bläst, außer „Kalt. Weitergehen. Kalt.“ Weiterlesen
Eine Nacht, die klebrig blieb
Auf dem Sofa nahm ich das Bier. Es war warm, fast heiß, aber ich trank es trotzdem. Unten klirrte die Flasche wieder, aber ich sah nicht mehr aus dem Fenster.
Draußen wehte plötzlich ein Wind, der die Blätter auf der Straße aufwirbelte. Und ich schwor, ich hörte wieder dieses Lachen.
Aber vielleicht war es nur der Wind. Weiterlesen
Stadt im Herbst
Dann stand ich plötzlich still, ohne zu wissen, warum. Vor mir lag ein Platz, leer und still, umringt von Gebäuden, die wie Wächter wirkten, alt und müde, aber immer noch wachsam.
Die Blätter. Sie lagen überall, ein Teppich aus Sterben, und ich fragte mich, ob sie jemals wieder aufsteigen würden, zurück zu den Bäumen, oder ob sie einfach verschwinden würden, so wie alles andere.
Ich schloss die Augen. Weiterlesen
Fliegen über Fliegen
Die Welt roch nach heißem Metall und abgestandenem Fett, einem ungesunden Cocktail aus Schmutz und Eile, wie er nur entstehen konnte, wenn niemand mehr genug Zeit hatte, selbst für den Zerfall. Überall Fliegen – ein Heer aus schimmernd schwarzen Leibern, deren Flügelschlag das Dröhnen eines kaputten Generators imitierte, monoton, gleichgültig, aber irgendwie auch unvermeidlich. Sie krochen über die Gesichter der Passanten, als wären diese nicht mehr als zerfallende Landschaften aus Haut und porösen Knochen, zerbrechlich und schutzlos unter der Sonne, die in dieser Stunde tief stand und sich weigerte, gnädigen Schatten zu spenden. Weiterlesen
Die Stadt, ein Kadaver
Die Straßen stanken nach einer seltsamen Mischung aus billigem Fast Food, Urin und einem Hauch von Fäulnis – jener bittersüße, schwer greifbare Geruch, der sich nicht vertreiben ließ, egal wie viele Chemikalien der Wind auch mit sich trug. Es war kein Verfall, der plötzlich gekommen war, sondern einer, der sich schleichend ausgebreitet hatte, wie eine Krankheit, die niemand behandeln wollte.
Sie lagen da, auf Bürgersteigen, unter zerfetzten Werbeplakaten, eingerollt in Pappkartons, als hätten sie sich selbst schon in Grabkammern gelegt. Gesichter aus Wachs, leer, ausgehöhlt – nicht mehr Menschen, sondern Fragmente von Menschen, ein „Davor“ ohne Zukunft. Weiterlesen
when times go by
ielleicht, dachte ich, war sie gar nicht wirklich fort. Vielleicht war sie nie wirklich hier gewesen. Oder vielleicht – und das war der einzige Gedanke, der mich tröstete – war sie jetzt an einem Ort, an dem die Zeit tatsächlich stillstand.
Ich stand auf, ließ den Regen wieder auf mich einprasseln, und begann erneut zu gehen. Kein Ziel, kein Ende. Nur der Weg, und die leise, flackernde Hoffnung, dass irgendwo, hinter der nächsten Straßenecke, ein neues Kapitel auf mich wartete. Weiterlesen
Es begann mit dem Klang
Ich stand auf, schließlich, weil sitzen keine Option mehr war. Meine Beine fühlten sich an wie Fremdkörper, aber ich bewegte sie, Schritt für Schritt, weg von der Bank, weg vom Bahnhof, hinein in die Straßen, die nichts taten, außer sich zu wiederholen. Jede Kreuzung sah gleich aus, jeder Laden war eine Kopie des nächsten, und ich war nur ein weiterer Schatten, der zwischen den Wänden umherwanderte. Weiterlesen