As Time Goes By
Die Stadt der Pilger
Der Sand brennt unter meinen Füßen, selbst durch die dicken Sohlen meiner abgenutzten Schuhe. Die Sonne steht hoch am Himmel, ein gnadenloser Feuerball, der uns mit jedem Schritt weiter austrocknet. Vor mir erstreckt sich die endlose Wüste, eine gelbe, leblose Weite, die sich bis zum Horizont zieht. Und dort, in der Ferne, ragt er auf: der Berg. Seine schroffen Gipfel sind in Dunst gehüllt, als würde er sich vor uns verstecken. Weiterlesen
Die Stadt der Winde
Ich ducke mich tiefer in den Windschatten der verrosteten Autowracks, die wir zu einer Hütte zusammengebaut haben. Der Sturm heult um uns herum wie ein lebendiges Wesen, seine Stimme kalt und gnadenlos. Es ist kein normaler Wind – dieser hier hat Zähne, Klauen, einen Hunger, der nie gestillt wird. Er reißt an den Metallplatten, die wir mit Seilen und Bolzen verzweifelt befestigt haben, als wollte er sie wie Papier zerfetzen. Manchmal frage ich mich, ob er uns wirklich nur auslöschen will oder ob er etwas anderes sucht. Etwas, das wir ihm vorenthalten. Weiterlesen
Die Stadt der Lügen
Der Bildschirm flackert vor mir, die Pixel tanzen wie winzige Sterne in der Dunkelheit des Bunkers. Der schwache Schein des Monitors ist das einzige Licht hier unten, abgesehen von den Notleuchten, die alle paar Meter an den Wänden angebracht sind. Ihre kalten, bläulichen Strahlen werfen lange Schatten auf die Gesichter der Jugendlichen, die sich um mich versammelt haben. Sie starren gebannt auf das, was ich ihnen zeige – Bilder einer Welt, die es nicht mehr gibt. Weiterlesen
Die Stadt der Tiere
Ich sitze auf der zerfallenen Mauer, die einst den Stadtrand von Nairobi markierte, und starre in die Dunkelheit hinaus. Die Sonne ist gerade erst untergegangen, aber die Schatten der Ruinen scheinen bereits zu leben, sich zu bewegen, als würden sie atmen. Der Wind trägt das ferne Brüllen eines Löwen herüber, tief und vibrierend, wie ein Echo aus einer anderen Zeit. Weiterlesen
Die Stadt der Schatten
Ich presse mich tiefer in den schmalen Spalt zwischen zwei Solarpaneelen, während die Sonne gnadenlos auf die Atacama-Wüste herabbricht. Die Luft flirrt vor Hitze, und selbst hier, im Schatten unseres provisorischen Hauses, fühlt sich meine Haut an, als würde sie von unsichtbaren Flammen versengt. Weiterlesen
Die Stadt der Flüsse
Ich stoße das Boot mit einem langen, rostigen Stock vom Ufer ab und gleite hinaus auf den Kanal. Das Wasser ist eine trübe Suppe aus Schlamm, Plastikmüll und undefinierbaren Bröckchen, die sich bei genauerem Hinsehen als zerfallene Reste von etwas Größerem entpuppen – ein Schuh hier, ein Stück eines Spielzeugs dort. Die Sonne versucht vergeblich, durch den Smog zu dringen, aber selbst ihr Licht wirkt müde, wie ein alter Film, der schon zu oft abgespielt wurde. Weiterlesen
Die Stadt der Totengräber
Ich stehe am Rand der Grube, die wir heute Morgen ausgehoben haben. Der Boden ist trocken und rissig, als würde er selbst nach Wasser schreien, das es nirgendwo mehr gibt. In der Grube liegen die Überreste von drei Menschen – ihre Knochen sind sorgfältig sortiert, die Kleider in Bündel gerollt. Wir werden sie später verwenden. Nichts darf verschwendet werden. Nicht hier. Nicht jetzt. Weiterlesen
Die Stadt der Masken
Ich streiche mit den Fingern über die Oberfläche meiner Maske, spüre die feinen Rillen und Vertiefungen, die sich im Laufe der Zeit in das Material eingegraben haben. Es ist eine zweite Haut geworden, ein Teil von mir, den ich nicht mehr ablegen kann – selbst wenn ich es wollte. Die Maske sitzt eng an meinen Wangenknochen, formt meine Nase neu, verändert die Konturen meines Gesichts, bis ich mich selbst im Spiegel kaum noch erkenne. Weiterlesen
Die wandernde Insel
Ich stehe am Rand unseres schwimmenden Reiches, die nackten Füße auf dem kalten Eis, und starre in das endlose Blau des Meeres. Der Horizont ist leer, bis auf die Sonne, die gnadenlos auf uns herunterbrennt. Sie steht höher am Himmel als je zuvor, ihre Strahlen fressen sich durch die Schichten unseres Eisbergs wie eine Krankheit. Jeden Tag schrumpft unsere Welt ein Stückchen ... Weiterlesen
Das letzte Krankenhaus
Die Flamme der Kerze flackert, als ich die rostige Pinzette über die Wunde halte. Der Patient stöhnt leise, sein Gesicht ist schweißnass von dem selbstgebrannten Alkohol, den wir ihm vorhin eingeflößt haben. Es ist nicht genug, um den Schmerz völlig zu betäuben, aber mehr haben wir nicht Weiterlesen