As Time Goes By
Der unbeantwortete Anruf
Ich liege auf dem Sofa, als mein Handy vibriert. Es rutscht über den Glastisch, kratzt an der Oberfläche wie ein kleines Tier, das Aufmerksamkeit will. Ich strecke mich, aber es liegt außerhalb meiner Reichweite. Noch eine Vibration, dann Stille. Verpasster Anruf. Unbekannte Nummer.
Normalerweise würde ich es dabei belassen. Wer wichtig ist, ruft nochmal an. Oder schickt eine Nachricht. Aber heute ist irgendwas anders. Eine seltsame Spannung liegt in der Luft, als wäre die Wohnung plötzlich zu groß geworden. Das Ticken der Wanduhr klingt lauter als sonst. Weiterlesen
Der verschwundene Gegenstand
Ich stehe vor dem offenen Kühlschrank und starre hinein, als könnte sich der Inhalt durch mein Starren vermehren. Es ist diese merkwürdige Zeit zwischen zu spät für ein vernünftiges Abendessen und zu früh fürs Schlafengehen. Die Kühlschranklampe wirft ein kaltes Licht auf mein Gesicht. Mein Magen knurrt leise.
"Wo ist die verdammte Butter?", murmle ich vor mich hin. Weiterlesen
Post für jemand anderen
Ich stehe an einer Straßenecke, die Luft schmeckt nach Asphalt und Abgasen. Der Himmel hängt tief, grau und schwer wie ein nasser Wollpullover. Menschen huschen vorbei, Gesichter verschwommen, als hätte jemand mit einem feuchten Lappen darübergewischt. Ich warte. Worauf? Keine Ahnung. Meine Finger spielen mit etwas in der Jackentasche. Ein Brief. Natürlich. Der Brief. Weiterlesen
Vertraute Straßen
Ich wache auf einer Bank auf. Eine dieser Parkbänke mit dem leicht gewölbten Holz, das sich in den Rücken drückt, aber irgendwie doch bequem ist. Seltsam. War ich eingeschlafen? Muss wohl. Die Straße vor mir kommt mir bekannt vor, aber ich kann sie nicht einordnen. Wie ein Déjà-vu, das sich einfach nicht greifen lässt. Weiterlesen
Wartezimmer ohne Ende
Ich sitze auf einem dieser typischen Plastikstühle, die einem nach zehn Minuten den Hintern taub werden lassen. Das Wartezimmer ist überfüllt, vollgestopft mit Menschen, die alle irgendwas mit dem Gesicht machen. Der eine zuckt am Mundwinkel, die andere kaut an der Unterlippe. Der Typ mir gegenüber trommelt mit den Fingern auf seinem Knie, ein nervöser Rhythmus ohne Melodie. Tick-tick-tick-tack. Immer wieder. Könnte kotzen vor Langeweile. Weiterlesen
Das ungewöhnliche Gespräch
Es ist ein Dienstag, und Dienstage haben was Graues an sich, egal wie die Sonne scheint. Der kleine Kiosk an der Ecke leuchtet wie ein Schiff in der Nacht mit seinen bunt gefüllten Auslagen und dem flackernden Neonschild, das mehr tot als lebendig ist. Die Zeitungen sind schon fast alle weg, nur noch die mit den langweiligen Schlagzeilen hängen im Ständer, als hätte keiner Lust auf Nachrichten, die einem den Tag noch grauer machen. Weiterlesen
Supermarkt nach Mitternacht
Ich stehe vor den automatischen Glastüren, die sich mit einem leisen Zischen vor mir öffnen. Kälte schlägt mir entgegen, diese spezielle Supermarktkälte, die irgendwie anders ist als die normale Nachtkühle draußen. Es ist kurz nach Mitternacht, und der Laden ist fast menschenleer. Warum ich hier bin? Keine Ahnung. In meinem Kopf gibt es nur den vagen Gedanken, dass ich etwas Wichtiges besorgen muss, aber was genau, das weiß ich nicht. Weiterlesen
Der Umweg
Ich gehe durch die Stadt, die nicht meine ist, aber irgendwie auch doch. Die Straßen sind breiter als gewöhnlich, und die Häuser scheinen in ungewohnten Winkeln zueinander zu stehen. Es regnet nicht, aber der Himmel droht damit. Ein grauer, schwerer Himmel, der auf die Dächer drückt wie ein nasser Lappen. Mein Hemd klebt an meinem Rücken, obwohl es nicht heiß ist.
WeiterlesenFinja – Projekt Mnem
Ich wache auf und die Welt riecht nach Pisse und kaltem Schweiß. Meine Augen brennen, als würde jemand Sand reinstreuen. Das Licht, das durch die kaputten Jalousien fällt, ist schmutzig gelb. Zone 6 halt. Hier ist selbst das Sonnenlicht dreckig.
Meine Haut juckt. Überall. Die Narben auf meinem Arm fangen wieder an zu pochen, als wären sie frisch. Ich kratze nicht. Hab gelernt, dass es nur schlimmer wird.
Der Wecker zeigt 14:30. Scheißegal. Zeit spielt hier keine Rolle. Nur das Überleben zählt. Weiterlesen
Das ungewöhnliche Angebot
Ich stehe an einer Straßenecke, die mir vage bekannt vorkommt. Die Sonne brennt auf den Asphalt, der unter meinen Füßen zu beben scheint. Das Licht bricht sich in den Fenstern der gegenüberliegenden Häuserfront – tausend kleine Sonnen, die mich blenden, wenn ich den Kopf drehe. Ist das die Budapester Straße? Oder bin ich in einer anderen Stadt? Die Konturen verschieben sich, sobald ich genauer hinsehen will. Weiterlesen