Ich muss nach Brest

Die Wolken hingen tief über Moguéran, wie eine graue Decke, die niemand abnehmen wollte. Der Wind war noch da, aber er hatte seine Schärfe verloren, nur noch ein leises Pfeifen in den Ecken des Hauses. Der Hund saß neben der Tür, ungeduldig, die Leine halb im Maul, halb auf dem Boden.
„Ich muss nach Brest“, murmelte ich, als ob ich es ihm erklären müsste.
Er neigte den Kopf, wedelte zögerlich, und ich konnte fast hören, wie er dachte: Brest? Was soll das schon wieder?
Ich hasse Brest. Jeder hier hasst Brest. Die Stadt ist ein grauer Klotz, kalt und unfreundlich, selbst an sonnigen Tagen. Aber heute hatte ich keine Wahl. Die Einkäufe in der Nähe hatten nicht gereicht – zu viele leere Regale, zu viele Menschen, die genauso planlos wirkten wie ich. Also blieb nur Brest.
Der Motor hustete ein paar Mal, bevor er endlich ansprang. Der Hund saß auf dem Beifahrersitz, seine Nase dicht an der Scheibe, während ich mich die schmalen Straßen entlang kämpfte. Die Pfützen auf dem Asphalt glitzerten in der Ferne, und hin und wieder spritzte das Wasser gegen die Fenster, wenn ein entgegenkommendes Auto zu schnell fuhr.
Die Fahrt nach Brest dauert eine Stunde. Aber es fühlt sich länger an, vor allem, wenn man weiß, dass man dort nicht sein will. Die Landschaft gleitet vorbei: kahle Felder, ein paar verlassene Häuser, der Wind, der die Äste der Bäume hin und her wirft.
„Warum tue ich mir das an?“, fragte ich den Hund, der mich kurz ansah, bevor er wieder nach draußen starrte.
Natürlich antwortete er nicht.
In Brest war es, wie erwartet, grau. Grau die Häuser, grau der Himmel, grau die Gesichter der Leute, die durch die Straßen liefen. Ich parkte das Auto in einer engen Gasse, zog die Jacke fester um mich und ging los. Der Hund blieb im Auto. Es war kühl genug, dass ich mir keine Sorgen machen musste, und er hasste die Stadt genauso wie ich.
Der Supermarkt war ein Chaos. Menschen, die hastig ihre Einkaufswagen durch die Gänge schoben, als würden sie gegen die Zeit einkaufen. Ich schnappte mir das Nötigste: Brot, Käse, ein paar Flaschen Wein, Hundekekse.
An der Kasse war eine ältere Frau vor mir, die ihre Münzen langsam zählte, während die Kassiererin mit einem Ausdruck der Resignation wartete. Ich stand da, das Gewicht des Einkaufskorbs auf die Hüfte gestützt, und versuchte, mich nicht zu sehr zu ärgern.
„Es dauert nicht mehr lange“, sagte die Frau und lächelte mich an.
Ich nickte nur, zwang mich zu einem Lächeln. Es war nicht ihre Schuld, dass ich hier war.
Zurück am Auto sprang der Hund auf, kaum dass ich die Tür öffnete. Er schnüffelte an den Tüten, fand die Kekse und setzte sich dann erwartungsvoll hin.
„Später“, sagte ich und schob ihn sanft zurück auf seinen Platz.
Die Fahrt zurück nach Moguéran war ruhiger. Der Regen hatte aufgehört, und die Straßen waren fast leer. Ich fühlte mich leichter, je weiter ich von Brest wegkam, als würde die Stadt eine Last sein, die man nur loswird, wenn man sie weit genug hinter sich lässt.
Zu Hause begrüßte uns die Stille, warm und vertraut. Der Hund stürmte ins Haus, machte einen kurzen Kreis um den Tisch und legte sich dann zufrieden auf seinen Platz, die Kekse inzwischen vergessen.
Ich packte die Einkäufe aus, ließ die Flasche Wein auf dem Tisch stehen und zündete eine Kerze an. Draußen war es wieder dunkel geworden, der Wind hatte aufgefrischt, und ich konnte das Meer hören, sein stetiges, beruhigendes Rauschen.
Der Abend war still. Der Hund schnarchte, die Kerze flackerte, und ich dachte an Brest, an die Menschen dort, an Marie, die wahrscheinlich irgendwo in einer Stadt wie dieser saß, vielleicht auch mit einer Flasche Wein und einer Kerze.
Ich griff nach dem Handy, starrte auf den leeren Bildschirm. Keine Nachricht von Marie.
„Vielleicht morgen“, murmelte ich und ließ es zurück auf den Tisch sinken.
Draußen war Moguéran, still und dunkel, und das Meer, das mir sagen wollte, dass alles in Bewegung bleibt, auch wenn man es nicht sehen kann.