As Time Goes By

Grenzen

Da er keine Grenzen in sich fand, hasste er alles, was Grenze und Grenzpfahl war, und wer sie errichtete.

Ich hab nie verstanden, warum Leute ans Meer fahren, nur um dann in kleinen, stickigen Wohnungen zu hocken und so zu tun, als wär der Alltag irgendwie erträglicher, wenn man ihn gegen Sand eintauscht. Aber da war ich jetzt. Strandkorb Nummer 23, direkt an der Wasserkante. Nicht freiwillig natürlich. Meine Schwester hatte die Karten gebucht. „Du brauchst das, Alex“, hatte sie gesagt. „Die Sonne tut dir gut. Und frische Luft!“ Klar, als wäre ich ein schimmliges Brot, das mal ordentlich durchgelüftet werden muss.

Die Sonne stand tief, fast orange, und irgendwer hatte im Sand ein Herz aus Muscheln gelegt. So kitschig, dass es mir fast körperlich wehtat. Der Wind roch nach Salz und ein bisschen nach Fisch, oder vielleicht war es der Typ mit der Cap und den nassen Shorts, der auf seinem Handtuch ein Matjesbrötchen verdrückte. Ich hätte ihn fragen können, aber der Blick, den er mir zuwarf, sagte: keine dummen Fragen, Kumpel.

„Also, das ist es“, sagte sie. Lena. Irgendwie war das fast ein Statement. Sie stand neben mir, barfuß, ihre Jeans hochgekrempelt, als wäre sie jederzeit bereit, ins Wasser zu rennen. Ihre Haare waren vom Wind zerzaust, und sie hatte diese Haltung, die Frauen manchmal haben, wenn sie eigentlich schon drei Schritte weiter sind, aber aus irgendeinem Grund noch hier stehen. Vielleicht wegen mir.

„Was ist es?“ fragte ich. Mein Tonfall war wahrscheinlich nicht so charmant, wie ich es mir wünschte.

„Das Meer“, sagte sie und wedelte mit der Hand. „Schau doch mal hin. Die Wellen, der Horizont, dieser Moment. Spürst du es nicht?“

Ich spürte Sand in meinen Schuhen und ein leichtes Brennen im Nacken von der Sonne, aber ich hielt die Klappe. Sie hatte diese Art von Begeisterung, die man nicht einfach zerreden kann, ohne wie ein kompletter Idiot zu wirken.

Wir standen da, vielleicht eine Minute, vielleicht zehn, und ich wusste nicht, ob sie wirklich auf das Meer starrte oder ob sie nur auf irgendwas wartete. Es war ein merkwürdiger Moment, so halb still, halb geladen. So wie wir.

„Bist du immer so zynisch?“ fragte sie plötzlich, ohne mich anzusehen.

„Bin ich zynisch?“ fragte ich zurück, und das klang absichtlich blöder, als ich es meinte. Aber sie grinste. Ein kleines, schiefes Grinsen, das ich nicht ganz deuten konnte. Es war schön. Aber auch gefährlich.

„Ja“, sagte sie, und sie klang nicht mal wütend. Eher, als wäre das eine Art Kompliment.

Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, also zuckte ich nur mit den Schultern. Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht auch nicht. Ist ja auch egal, dachte ich. Am Ende des Tages bin ich sowieso ich, mit allen Macken und Ecken, ob sie das jetzt mochte oder nicht.

Später, in irgendeiner Strandbar, die so aussah, als hätte jemand sie direkt aus einem Ferienprospekt geklaut, saßen wir an einem kleinen Tisch, der leicht wackelte, und tranken Bier aus Flaschen. Es gab Cocktails mit Sonnenschirmchen, aber das fühlte sich falsch an. Lena hatte ihre Beine unter sich gezogen und wischte Sand von ihrer Wade. Ihre Haut war leicht gerötet, wahrscheinlich Sonnenbrand. Sie schien das nicht zu stören.

„Warum bist du hier?“ fragte sie plötzlich. Einfach so. Ohne Vorwarnung.

„Weil deine Schwester mich gezwungen hat“, sagte ich.

„Nein, wirklich. Warum?“

Ich zögerte. Das war so eine Frage, die entweder nach einem Witz oder nach der Wahrheit schrie, und ich war mir nicht sicher, ob ich bereit war für letzteres.

„Ich schätze, ich hab gehofft, dass es einfacher wird“, sagte ich schließlich.

„Was wird einfacher?“

„Alles.“ Es klang so platt, dass ich mich selbst dafür hasste. Aber sie nickte nur, als würde sie das verstehen. Vielleicht tat sie das sogar.

Irgendwann, kurz vor Mitternacht, liefen wir zurück zum Strand. Die Luft war kühler geworden, und die Lichter der Bar wurden kleiner hinter uns. Ich wusste nicht, wohin wir gingen, und ich glaube, das wusste sie auch nicht. Wir blieben einfach stehen, irgendwann, mitten im Sand, und ich fragte mich, ob das hier einer dieser Momente war, die man nicht versauen sollte.

„Weißt du“, sagte sie, „ich glaube, du bist gar nicht so zynisch, wie du tust.“

„Ach ja?“

„Ja.“ Sie trat einen Schritt näher, und plötzlich war da dieser Duft von ihr – etwas Warmes, ein bisschen süß, ein bisschen salzig, wie der Strand selbst, nur besser.

„Vielleicht bin ich einfach gut im Verstecken“, sagte ich. Es war nicht gelogen, aber auch nicht die ganze Wahrheit.

Sie lachte leise, fast mehr ein Atemzug als ein Geräusch, und bevor ich etwas sagen konnte, küsste sie mich. Einfach so. Und es war nicht perfekt. Da war Sand auf unseren Lippen, und meine Hand stieß gegen ihre, und ich dachte für einen Sekundenbruchteil, dass ich das vielleicht falsch mache. Aber dann war da nur noch sie, ihre Wärme, ihr Atem, der Geschmack von Salz und Bier und ein bisschen Zitrone, und ich hörte auf zu denken.

Später, als wir im Sand lagen, die Sterne über uns und das Meer so nah, dass ich fast die Gischt auf meiner Haut spüren konnte, sagte sie: „Das hier fühlt sich echt an.“

Ich sagte nichts. Aber ich dachte: Vielleicht hat sie recht. Vielleicht ist das hier echt. Oder zumindest echt genug.

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