As Time Goes By

Eine verlorene Welt.

Ich saß auf der Kante meines Bettes und starrte auf meine Füße. Der linke Socken hatte ein Loch. Nicht groß, nur so, dass mein Zeh ein bisschen durchlugte. Ich hätte es flicken können, klar. Aber irgendwie war es auch egal. Das Licht aus dem kleinen Fenster über dem Heizkörper fiel schräg auf den Boden. Staub wirbelte, in einem Takt, den nur er verstand. Es war so ein stiller Moment, in dem man alles gleichzeitig hört: den Kühlschrank in der Küche, die Nachbarn über mir, die hin und wieder ein Möbelstück über den Boden zogen, und meinen eigenen Atem.

„Scheiß drauf“, murmelte ich, schnappte mir die Zigarettenpackung vom Nachttisch und zog mir die Jeans an, die immer noch auf dem Stuhl hing. Die war schon besser dagewesen, aber sie passte wenigstens. Ich ging in die Küche, riss das Fenster auf und lehnte mich hinaus. Der Wind roch nach Herbst, trockenem Laub und irgendwo, ganz schwach, nach verbrannter Milch. Wahrscheinlich einer der Nachbarn.

Die erste Kippe des Tages war immer ein Moment für sich. Sie schmeckte nie besonders gut, aber sie fühlte sich an wie ein Ritual. Ein bisschen wie das leise Klicken, wenn man den Toaster herunterdrückt. Nur eben giftiger.

Draußen auf der Straße ging jemand vorbei, ein Typ in einem Anzug, der aussah, als hätte er ihn schon seit einer Woche getragen. Er hatte so eine Aktentasche dabei, aber irgendwie passte die nicht zu ihm. Ich fragte mich, was da wohl drin war. Vielleicht Papiere. Vielleicht ein Sandwich. Vielleicht war die Tasche leer, und er schleppte sie nur mit, damit er etwas in der Hand hatte. Der Gedanke gefiel mir.

„Schon wieder am Qualmen, oder was?“ Die Stimme kam von der Tür. Es war Doro. Meine Nachbarin, die irgendwie immer wusste, wann ich am Fenster stand. Sie hatte ihre Haare gefärbt – knallrot diesmal.

„Wie immer“, sagte ich und bot ihr eine Zigarette an. Sie nahm sie, zündete sie sich mit meinem Feuerzeug an und zog genüsslich daran.

„Hast du eigentlich irgendwann mal was anderes vor?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Kommt drauf an. Was schlägst du vor?“

Sie lachte. Es war so ein kehliges Lachen, das erst mal aus dem Bauch kam und dann in der Kehle stecken blieb, wie ein Keks, den man zu schnell runtergeschluckt hatte. Ich mochte das an ihr. „Ich hab Karten für irgend so ein Konzert heute Abend. Irgendwas mit Jazz. Bock?“

„Jazz?“, fragte ich. „Klingt anstrengend.“

„Komm schon, beweg deinen faulen Arsch. Ist besser als hier zu sitzen und an deiner verfickten Kippe zu nuckeln.“

Sie hatte recht. Natürlich hatte sie recht. Aber ich mochte es nicht, wenn Leute mir das so offen unter die Nase rieben. „Mal sehen“, murmelte ich.


Der Tag zog sich hin, wie sie es immer tun, wenn man nicht viel damit anzufangen weiß. Ich saß ein bisschen herum, las in einem Buch, das ich schon vor Monaten angefangen hatte, und ließ die Zeit irgendwie vorbeigehen. Als der Abend kam, war ich nicht wirklich in Stimmung, aber Doro klopfte wie angekündigt an meine Tür.

„Komm, zieh dir was Vernünftiges an.“ Sie hatte ihre Lederjacke übergeworfen und trug Lippenstift, der fast die gleiche Farbe hatte wie ihre Haare. Ich fand es albern, sagte aber nichts. Stattdessen zog ich einen Pullover an, der weniger nach Aschenbecher roch, und folgte ihr nach draußen.

Das Konzert war in so einem kleinen Kellerclub, der nach Bier und Schweiß roch. Die Musik war tatsächlich nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Irgendwie hatte sie etwas Beruhigendes, so wie das Geräusch von Regen auf dem Dachfenster. Doro war völlig in ihrem Element. Sie wippte mit dem Fuß und hatte diesen konzentrierten Blick, den Leute manchmal haben, wenn sie wirklich auf etwas achten. Ich versuchte, mich davon anstecken zu lassen, aber mein Kopf war woanders.


Später, als wir wieder draußen waren, fing es an zu regnen. Der Boden glänzte, und die Lichter der Straßenlaternen spiegelten sich darin, als hätten sie sich aufgelöst. Doro sah mich an, zog die Augenbrauen hoch und lachte. „Na, hat’s dir gefallen?“

Ich nickte, weil es einfacher war als eine lange Erklärung. „War okay.“

„Du bist so ein verdammter Griesgram, weißt du das?“

„Ich hab meine Momente.“

Sie schüttelte den Kopf und steckte sich eine Zigarette an. Der Rauch vermischte sich mit dem Regen, und für einen kurzen Moment dachte ich, dass die Welt eigentlich gar nicht so schlecht war. Dann holte mich der Gedanke ein, dass das Loch in meinem Socken immer noch da war, und ich wusste, dass ich morgen wieder genau da sitzen würde: auf der Bettkante, starrend, wartend, dass irgendwas passiert.

„Vielleicht komm ich beim nächsten Mal mit“, sagte ich plötzlich. Es war so ein Satz, der nicht viel bedeutete, aber für den Moment reichte.

„Vielleicht“, wiederholte sie und grinste. Dann gingen wir die Straße runter, zurück zu unseren Wohnungen, unseren Löchern, unseren kleinen, nichtigen Leben.

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