Die wandernde Herde

Die Prärie erstreckt sich endlos vor uns, eine trostlose Ebene aus Rissen und Asche. Der Boden unter unseren Füßen ist hart und spröde, als wäre er von einem Feuer versengt worden, das niemals erloschen ist. Wir folgen den Büffeln, weil wir keine andere Wahl haben. Sie sind alles, was uns geblieben ist – ein letzter Funke Hoffnung in einer Welt, die langsam zu Staub zerfällt.
Ihre massigen Körper bewegen sich schwerfällig durch die Landschaft, ihre Hufe schleudern Asche auf, die wie grauer Schnee durch die Luft wirbelt. Manchmal höre ich ihr tiefes Brüllen, ein Laut, der in meiner Brust widerhallt wie eine Warnung. Ich weiß nicht, wohin sie uns führen, aber wir haben keine andere Richtung.
„Sie wissen, wo das Gras noch wächst“, murmelt der alte Mann neben mir. Seine Stimme ist rau und brüchig, wie das Knistern von trockenem Holz. Er trägt einen zerfetzten Mantel, der ihm viel zu groß ist, und seine Augen sind trüb, als würde er durch die Welt hindurchsehen, ohne sie wirklich wahrzunehmen.
Ich nicke, obwohl ich ihm nicht glaube. Das Gras ist längst verschwunden, genau wie alles andere. Die Prärie ist tot, ihre Risse klaffen wie offene Wunden. Wenn es noch irgendwo Gras gibt, dann nur in seinen Träumen.
Wir gehen schweigend weiter, unsere Schritte schwer von Erschöpfung und Hunger. Der Wind treibt die Asche vor uns her, und manchmal sehe ich darin die Umrisse von Dingen, die nicht mehr existieren – Bäume, Flüsse, Menschen. Aber wenn ich blinzle, sind sie wieder weg.
Dann bemerke ich es. Die Büffel rennen im Kreis.
„Was tun sie da?“, frage ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Der alte Mann starrt sie an, sein Gesicht leer. „Sie suchen.“
„Wonach?“
Er antwortet nicht. Stattdessen geht er weiter, seine dünnen Beine zitternd unter dem Gewicht seines Körpers. Ich folge ihm, aber mein Blick bleibt an den Tieren hängen. Ihre Bewegungen sind mechanisch, fast wie ein Ritual. Sie drehen sich immer wieder um dieselbe Stelle, ihre Hufe graben tiefer in den Boden, bis sie eine Mulde hinterlassen haben, die wie ein Grab aussieht.
„Vielleicht wissen sie es nicht mehr“, sage ich leise.
Der alte Mann bleibt stehen und sieht mich an. In seinen Augen liegt eine Mischung aus Trauer und Verständnis. „Vielleicht wissen sie es nie gewusst.“
Ich will etwas sagen, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken. Was, wenn er recht hat? Was, wenn die Büffel genauso verloren sind wie wir?
Als die Sonne untergeht, wird die Prärie dunkel und still. Die Büffel legen sich hin, ihre massigen Körper wie Felsen in der Asche. Wir setzen uns zu ihnen, weil wir keine Kraft mehr haben weiterzugehen.
„Warum tun wir das?“, fragt jemand hinter mir. Es ist Lina, ihre Stimme dünn und gebrochen. „Warum folgen wir ihnen?“
Ich sehe sie an, aber ich habe keine Antwort.
Der alte Mann steht auf und geht zu den Büffeln. Er legt eine Hand auf eines der Tiere, als würde er nach etwas suchen – Wärme, Leben, irgendetwas. Dann murmelt er: „Weil sie alles sind, was wir noch haben.“
Ich starre ihn an, während die Nacht über uns hereinbricht. Die Sterne sind kaum zu sehen, verdeckt von einer dicken Schicht aus Asche und Rauch.
Plötzlich höre ich ein Geräusch – ein tiefes Grollen, das aus dem Boden kommt. Die Büffel springen auf, ihre Augen weit aufgerissen. Sie rennen los, schneller als je zuvor, und wir rennen hinterher, ohne zu wissen warum.
Die Erde unter uns bebt, und die Risse in der Prärie werden größer. Ich sehe, wie der Boden vor uns aufbricht, als würde die Welt selbst auseinanderfallen.
„Bleibt stehen!“, schreit jemand, aber niemand hört zu.
Die Büffel verschwinden in der Dunkelheit, und wir folgen ihnen blindlings, bis der Boden unter uns nachgibt.