
Die Straßen stanken nach einer seltsamen Mischung aus billigem Fast Food, Urin und einem Hauch von Fäulnis – jener bittersüße, schwer greifbare Geruch, der sich nicht vertreiben ließ, egal wie viele Chemikalien der Wind auch mit sich trug. Es war kein Verfall, der plötzlich gekommen war, sondern einer, der sich schleichend ausgebreitet hatte, wie eine Krankheit, die niemand behandeln wollte.
Sie lagen da, auf Bürgersteigen, unter zerfetzten Werbeplakaten, eingerollt in Pappkartons, als hätten sie sich selbst schon in Grabkammern gelegt. Gesichter aus Wachs, leer, ausgehöhlt – nicht mehr Menschen, sondern Fragmente von Menschen, ein „Davor“ ohne Zukunft.
Ein Mann, kaum mehr als ein Schatten seiner selbst, lag reglos in einer Pfütze. Der Regen hatte seine billigen, weißen Turnschuhe durchweicht, und seine Hände, die auf dem kalten Asphalt ruhten, waren aschgrau. Ich konnte nicht sagen, ob er tot war oder einfach nur noch nicht ganz gestorben. Vielleicht spielte es auch keine Rolle.
Die Stimmen der Toten
„Fentanyl,“ flüsterte jemand, irgendwo in der Nähe. Ein Wort, das sich durch die Luft schnitt, schwer und scharf wie eine Rasierklinge. Es war keine Droge mehr, dachte ich, es war ein Flüstern, eine Idee, die sich in Köpfen einnistete und Leben auslöschte, ohne dass sie es merkten.
Die Fentanyl-Zombies waren überall. Man sah sie in den Bahnhöfen, in Parks, manchmal mitten auf der Straße, wo sie zwischen den hupenden Autos taumelten wie Marionetten mit durchgeschnittenen Fäden. Sie hatten nichts Menschliches mehr, nichts Erkennbares – nur diese seltsame, katatonische Stille, ein bewegter Stillstand, ein Schweben zwischen Jetzt und Niemals.
„Hast du gesehen, was aus ihnen wird?“ fragte eine Frau neben mir, die ich nicht kannte. Ihre Augen waren weit aufgerissen, aber sie schaute nicht mich an, sondern irgendwohin über meine Schulter, dorthin, wo die Zukunft sich normalerweise befand.
„Verwesung,“ flüsterte sie, und ihr Lächeln war leer, ein Loch im Gesicht. „Noch bevor sie tot sind.“
Ich wollte nicht hinschauen, aber ich konnte nicht anders. Ihre Finger deuteten auf eine Frau, die in einer Bushaltestelle saß. Sie trug ein rosa Sweatshirt, das an den Ärmeln zerfetzt war, und ihre Wange hatte eine seltsame Verfärbung – dunkel, schuppig, fast wie verbrannte Erde. Sie kratzte daran, langsam und bedächtig, als ob sie vergessen hatte, dass es ihre eigene Haut war.
Der Puls der Verlorenen
Die Stadt war wie ein sterbender Organismus, und wir waren die Bakterien, die sich von ihrem Zerfall ernährten. Die Busse ratterten weiter, Menschen eilten zur Arbeit, Einkaufstüten in den Händen, aber darunter, direkt unter der Oberfläche, spürte man die Verwesung, als hätte jemand einen Kadaver in die Fundamente gelegt.
Die Lichter der Werbetafeln blinkten unbeeindruckt, warben für alles und nichts: „Bleach your teeth in seconds!“ – „Live your best life with AI-driven comfort!“ Die Farben waren grell, die Versprechen leer. Ich fragte mich, wie viele von ihnen überhaupt noch hinsahen.
An einer Straßenecke hockte ein Mann, die Arme um die Knie geschlungen, das Kinn auf die Brust gesenkt. Sein Gesicht war kaum mehr als ein Schädel, eingefallen und straff, und seine Lippen murmelten unverständliche Wörter. Ich blieb stehen, obwohl ich es nicht wollte, wie ein Voyeur vor einer Katastrophe.
„Das Ende kommt,“ flüsterte er, ohne den Kopf zu heben. Ich wusste nicht, ob er mich meinte oder sich selbst.
Der ironische Stillstand
Man hatte uns immer gesagt, die Welt würde in Flammen untergehen, in einem großen, lauten Knall. Stattdessen war es ein langsames, lautloses Verblassen, ein Vergessen, das sich wie Nebel ausbreitete. Niemand rannte schreiend durch die Straßen; niemand kämpfte. Es war ein Untergang, der wie ein schlechter Witz klang: ironisch, weil er so banal war.
Die Fentanyl-Zombies waren nur ein Symptom, sagte ich mir. Der eigentliche Tod hatte längst begonnen, und wir alle waren Teil davon, egal ob wir es zugeben wollten oder nicht. Es war nicht die Droge, nicht das System, nicht einmal die Menschen selbst – es war die Summe von allem.
Und trotzdem lief die Uhr weiter, tickte in den Handgelenken derjenigen, die noch Geld für Uhren hatten, tickte in den Köpfen derer, die noch träumen konnten. Aber was war ein Traum noch wert in einer Welt, die sich nicht mehr bewegen wollte?
Ein letzter Blick
Ich blieb stehen und sah zurück, auf die Stadt, die nicht mehr meine war. Der Regen hatte aufgehört, aber die Luft war schwer, als würde sie mich ersticken wollen.
„Vielleicht ist es besser so,“ dachte ich, während ich die Frau an der Bushaltestelle betrachtete, die jetzt reglos war, die Finger noch immer an ihrer Wange.
Es war kein Ende, nicht wirklich. Nur eine Pause, eine leere Stelle im Text, bevor die nächste Szene begann. Aber tief in mir wusste ich, dass es keine nächste Szene gab.
Der Abspann lief schon.