As Time Goes By

Die Stadt der Masken

Ich streiche mit den Fingern über die Oberfläche meiner Maske, spüre die feinen Rillen und Vertiefungen, die sich im Laufe der Zeit in das Material eingegraben haben. Es ist eine zweite Haut geworden, ein Teil von mir, den ich nicht mehr ablegen kann – selbst wenn ich es wollte. Die Maske sitzt eng an meinen Wangenknochen, formt meine Nase neu, verändert die Konturen meines Gesichts, bis ich mich selbst im Spiegel kaum noch erkenne. Manchmal frage ich mich, ob mein echtes Gesicht überhaupt noch existiert oder ob es unter dem Kunststoff und den Filtern langsam zerfallen ist wie ein vergessenes Foto.

In den Straßen von Peking herrscht ein seltsames Schweigen. Die Luft ist so dick mit Schadstoffen, dass selbst die Vögel aufgehört haben zu singen. Überall sehe ich Menschen mit Masken, jede davon einzigartig geformt, als wären sie lebendige Porträts ihrer Träger. Aber nicht alle Masken sind neu. Auf dem Schwarzmarkt werden gebrauchte Masken gehandelt, manche sauber poliert, andere noch fleckig von der Haut ihrer früheren Besitzer. Sie sagen, diese Masken enthalten die Seelen der Toten.

„Willst du eine?“, fragt der Händler, ein schmächtiger Mann mit einer Maske, die sein ganzes Gesicht bedeckt, bis auf zwei schmale Schlitze für die Augen. Er hält mir eine Maske hin, deren Oberfläche rissig und verfärbt ist. Sie sieht aus, als wäre sie durch Feuer gegangen. „Die hier gehört einem Dichter. Er hat Gedichte geschrieben, bevor die Welt still wurde.“

Ich schüttele den Kopf, aber meine Finger zucken, als wollten sie die Maske packen. Der Händler lächelt, ein schmales, wissendes Lächeln, das ich nur an den Falten um seine Augen erkennen kann. „Du weißt, dass du neugierig bist“, sagt er. „Jeder ist das. Jeder will wissen, wer sie waren – oder wer sie hätten sein können.“

Ich wende mich ab, doch die Worte des Händlers bleiben in meinem Kopf kleben wie Ruß. Wer wäre ich gewesen, wenn die Welt nicht still geworden wäre? Wenn wir nicht gezwungen wären, unsere Gesichter zu verstecken, unsere Stimmen zu dämpfen, unsere Leben hinter diesen Masken zu verbergen?

Zurück in meiner Wohnung setze ich mich ans Fenster und sehe hinaus auf die Stadt, die kaum noch als solche zu erkennen ist. Die Gebäude sind von Smog eingehüllt, ihre Umrisse verschwommen wie in einem Traum. Ich starre auf die Maske in meinen Händen, meine eigene, und frage mich, wie viel von mir noch übrig ist. Bin ich noch ich? Oder bin ich nur das, was die Maske aus mir gemacht hat?

Plötzlich klopft es an der Tür. Ich zögere, dann stehe ich auf und öffne. Draußen steht ein Mädchen, kaum älter als zwölf, mit einer Maske, die viel zu groß für ihr Gesicht ist. Ihre Augen sind weit aufgerissen, voller Angst und Verzweiflung. „Bitte“, flüstert sie. „Helfen Sie mir.“

Ich trete zur Seite und lasse sie herein. Sie stolpert in die Wohnung, ihre dünnen Arme umklammern ihren Körper, als würde sie frieren. „Was ist passiert?“, frage ich und schließe die Tür.

Sie antwortet nicht sofort. Stattdessen zieht sie ihre Maske ab, und ich keuche auf. Ihr Gesicht ist rot und aufgedunsen, die Haut löst sich in Fetzen von ihren Wangen. Es sieht aus, als würde sie von innen heraus verbrennen. „Es tut weh“, sagt sie und hält mir die Maske hin. „Sie gehört jemand anderem. Ich habe sie gestohlen, weil ich keine mehr hatte. Aber sie… sie passt nicht. Sie will mich nicht.“

Ich nehme die Maske vorsichtig in die Hand und sehe genauer hin. In den Rissen des Materials glitzert etwas – winzige Partikel, die wie Asche aussehen, aber leuchten, als wären sie lebendig. „Wo hast du sie her?“, frage ich.

„Vom Schwarzmarkt“, murmelt das Mädchen. „Der Mann sagte, sie sei stark. Dass sie mich beschützen würde. Aber sie tut es nicht. Sie hasst mich.“

Ich starre auf die Maske und spüre, wie sich die Haare in meinem Nacken aufrichten. Da ist etwas in dieser Maske, etwas, das nicht tot ist. Etwas, das noch atmet.

„Setz deine eigene Maske wieder auf“, sage ich sanft und reiche ihr meine. „Schnell.“

Das Mädchen gehorcht, und sobald die Maske ihre Haut berührt, scheint sie sich zu entspannen. Ihre Atmung wird ruhiger, ihre Augen klarer. Doch dann höre ich es – ein leises Flüstern, das aus der gestohlenen Maske in meinen Händen dringt. Es ist eine Stimme, tief und kehlig, die Worte in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Aber ich spüre ihre Bedeutung, als würde sie direkt in meinen Kopf kriechen.

„Gib sie zurück“, flüstert die Stimme. „Gib mich zurück.“

Ich lasse die Maske fallen, und sie landet mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden. Das Flüstern wird lauter, drängender, bis es die ganze Wohnung ausfüllt. Das Mädchen schreit auf und presst die Hände gegen ihre Ohren, aber ich weiß, dass sie es auch hört.

„Wir müssen sie zurückbringen“, sage ich und ziehe sie zur Tür. „Zum Händler. Sofort.“

Draußen ist die Stadt noch dunkler geworden, der Smog so dicht, dass ich kaum die Hand vor Augen sehen kann. Aber ich weiß, wo der Markt ist. Die Stimme führt uns, zieht uns wie unsichtbare Fäden durch die Straßen. Als wir ankommen, ist der Händler bereits da, seine Augen glänzen im schwachen Licht einer Laterne.

„Ah“, sagt er, als er uns sieht. „Ihr habt sie zurückgebracht.“

„Nimm sie“, sage ich und halte ihm die Maske hin. „Sie gehört dir.“

Er nimmt sie mit einem zufriedenen Lächeln entgegen, aber seine Augen bleiben auf mich gerichtet. „Du solltest vorsichtig sein“, sagt er. „Nicht jede Maske lässt sich ablegen. Manche… werden eins mit dir.“

Ich will etwas erwidern, doch da höre ich die Stimme wieder, diesmal direkt in meinem Kopf. „Du kannst nicht entkommen“, flüstert sie. „Du trägst mich schon.“

Ich fahre herum und renne los, die Hand fest auf meine eigene Maske gepresst. Das Mädchen ruft meinen Namen, aber ich bleibe nicht stehen. Ich kann nicht. Denn ich spüre, wie die Maske sich bewegt, wie sie sich tiefer in meine Haut gräbt. Und ich weiß, dass der Händler recht hat. Irgendwo, irgendwann, wird sie mich verschlingen. Und ich werde nicht mehr ich sein.

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