An Dich
Ich hab deinen Brief gelesen. Mehrmals. Zuerst mit einem Lächeln, dann ohne. Am Ende hab ich ihn weggelegt, weil ich nicht wusste, ob ich dir antworten soll. Jetzt schreibe ich trotzdem. Nicht, weil ich irgendwas klären will – das tun wir ja eh nie, nicht wirklich – sondern weil diese Stille zwischen uns schlimmer ist als alles andere.
Du fragst, wie ich „uns“ fand, beim Wiedersehen. Schwierige Frage. Es war wie alte Möbel in einer neuen Wohnung: vertraut, aber fehl am Platz. Vielleicht lag’s daran, dass wir beide wussten, dass es anders sein sollte, aber keiner von uns den Mut hatte, es zu sagen.
Und ja, dein Spruch, dieser „Macho-Moment“ – ich hab gelacht, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Lachen ist einfacher als Nachdenken. Oder Antworten. Oder was auch immer du von mir wolltest in dem Moment.
„Du denkst zu viel“, hast du geschrieben.
Das stimmt. Du hast recht, ich denke zu viel. Aber weißt du was? Du tust es auch. Du verpackst es nur besser, in Witze und Halbherzigkeiten, in diesen ironischen Ton, den du so perfekt beherrschst. Und trotzdem merke ich es, wenn du die Augen senkst, wenn ein Satz von dir mitten im Raum hängen bleibt, wie eine Zigarette, die aus dem Aschenbecher fällt und fast den Tisch in Brand setzt.
Du schreibst von „döösbaddelig“. Weißt du, was ich dazu sagen kann? Wir sind beide so. Weil wir immer wieder versuchen, aus etwas Sinn zu machen, das keinen hat. Wir sind wie diese Schneekugeln, die man schüttelt, nur damit das Chaos für ein paar Sekunden schön aussieht, bevor es sich wieder legt.
Ich erinnere mich an die zwei Stunden, die du erwähnt hast. Natürlich tue ich das. Ich erinnere mich an alles, an deine Stimme, die ein bisschen heiser war, weil du zu viel geraucht hattest. An den Geruch von deinem Parfum, der sich mit dem Rauch und dem leichten Schweiß gemischt hat, weil die Heizung zu hoch aufgedreht war. An deine Hände, die immer zu warm sind, und an den Blick, den du mir zugeworfen hast, als du dachtest, ich merke es nicht.
„3 Tage, um dich ‚rumzukriegen‘.“
Ich habe das nicht als Macho-Spruch verstanden. Eher als Verzweiflung. Vielleicht auch als Hoffnung. Du wolltest mich beeindrucken, und ich war beeindruckt, aber nicht aus den Gründen, die du denkst. Ich war beeindruckt, weil du ehrlich warst, auch wenn du es in Witze gepackt hast.
Und jetzt? Jetzt sitze ich hier, in dieser winzigen Küche, die sich anfühlt wie ein schlechter Witz, weil sie nicht größer ist als das Bad in meiner alten Wohnung. Der Kühlschrank summt, die Heizung macht komische Geräusche, und draußen regnet es. Nicht der gute Regen, der einen an den Sommer erinnert, sondern dieser kalte, graue Regen, der einem unter die Haut kriecht und da bleibt.
Ich hab keine Ahnung, was ich dir schreiben soll. Keine Ahnung, was du hören willst. Vielleicht willst du gar nichts hören, und das hier ist nur für mich, nicht für dich.
Aber wenn du wirklich wissen willst, was ich denke: Ich denke, dass wir beide viel zu ähnlich sind, um uns wirklich nahe zu kommen. Und trotzdem sind wir immer wieder da, im selben Raum, im selben Moment, mit denselben Gedanken, die keiner von uns auszusprechen wagt.
Vielleicht rufst du an. Vielleicht auch nicht. Und vielleicht mache ich noch eine Zigarette an, obwohl ich genau weiß, dass ich es lassen sollte.
Am Ende bleibt nur das: Wir sind wie alte Möbel in einer neuen Wohnung. Und vielleicht ist das genug. Oder auch nicht.