As Time Goes By

Am Abend

Die Sonne war gerade hinter den zerklüfteten Klippen verschwunden, als ich die Tür zum kleinen, weißgetünchten Haus aufstieß. Der Wind roch nach Salz und Tang, dieser eigenwillige Mix aus Frische und Verfall, den ich hier in der Bretagne immer mit einem seltsamen Kribbeln in der Brust einatmete. Die Möbel in der kleinen Küche – wackelig, aufgeraut von den Jahren – hatten nichts von dem, was Marie „Charme“ nannte. Aber was wusste ich schon von Charme.

Sie stand mit dem Rücken zu mir, an der Spüle, ein Glas Rotwein in der Hand, das zweite halb voll auf der Arbeitsplatte. Der Stoff ihres Kleides spannte sich um ihre Hüften, fast zu elegant für dieses windschiefe Häuschen, und ich fragte mich, ob sie wusste, wie lächerlich ich mich fühlte, wenn sie so dasaß oder stand – wie eine Szene aus einem Film, in dem ich maximal die Nebenrolle spielen durfte.

„Du bist spät“, sagte sie und hob das Glas, ohne sich umzudrehen.

„Die Fischer hatten wieder ihre Geschichten.“ Ich ließ die Tür ins Schloss fallen, mehr aus Gewohnheit als aus Notwendigkeit. Hier brauchte niemand eine verschlossene Tür, aber das Klicken beruhigte mich irgendwie.

Marie drehte sich langsam um, lehnte sich an die Spüle, die langen Finger locker um den Stiel ihres Glases geschlungen. Ihre Augen musterten mich, wie sie es immer taten: ein flüchtiger Moment von Interesse, dann dieses winzige Blitzen von Belustigung. „Und? Hast du diesmal eine gehört, die du mir erzählen willst?“

Ich zog die Schultern hoch und griff nach dem anderen Glas. „Nicht wirklich. Nur das Übliche. Stürme, verlorene Netze, einer hatte angeblich ein Seeungeheuer gesehen. Aber das hat er wohl eher im Glas gefunden.“

Sie lachte, ein leises, kehliges Geräusch, das durch die Küche glitt wie Rauch. „Du solltest dir mehr Mühe geben. Ich mag Geschichten.“

„Ja, das ist das Problem.“ Ich nahm einen großen Schluck. Der Wein war schwer, fast klebrig, aber ich spürte, wie die Wärme sich durch meinen Körper zog. „Meine Geschichten sind nie gut genug.“

Sie zuckte nur mit den Schultern und schob sich an mir vorbei. Ihr Duft – irgendwas Blumiges, aber nicht süß, eher herb – blieb hängen, während sie ins Wohnzimmer ging. Die Holzdielen knarrten unter ihren nackten Füßen. Ich folgte ihr, obwohl ich eigentlich noch hätte draußen bleiben sollen, den letzten Rest Tageslicht aufsaugen. Aber draußen war kalt und hier war sie.

„Du kannst nicht immer die Geschichten der anderen erzählen“, sagte sie plötzlich, während sie sich auf die Couch sinken ließ. Die Decke warf Falten über ihre Beine, und sie sah mich an, mit diesem seltsamen, halb offenen Lächeln. „Vielleicht solltest du mal deine eigene Geschichte anfangen.“

„Meine Geschichte ist nicht interessant.“

„Nein, das stimmt.“ Sie nahm einen weiteren Schluck Wein und ließ das Glas dann auf der Armlehne balancieren. „Aber du könntest sie interessant machen.“

Das war typisch Marie. Diese kleinen Sätze, wie scharfe Nadeln, die durch die Oberfläche drangen und stecken blieben. Ich setzte mich in den Sessel gegenüber und griff nach der Schachtel Zigaretten auf dem Tisch. Die Flamme des Feuerzeugs zitterte im Windzug, der durchs offene Fenster kam, und die erste Zigarette des Abends schmeckte nach Asche und Salz.

„Ich hab keine Lust, der Held in irgendeiner Geschichte zu sein“, murmelte ich schließlich und blies den Rauch Richtung Decke.

„Dann sei halt der Bösewicht.“

Ich schnaubte. „Das passt besser zu dir.“

„Ach, bitte.“ Sie hob eine Augenbraue, ein kleines, fast unsichtbares Zucken. „Wenn ich die Böse wäre, wärst du längst tot.“

„Charmant.“

Wir schwiegen eine Weile, während draußen das Meer gegen die Klippen donnerte. Ich hörte es jetzt deutlicher, da das Fenster offen war, ein dumpfer, rhythmischer Herzschlag, der mich immer beruhigte und gleichzeitig unruhig machte. Vielleicht, weil es so konstant war, während ich mich nie sicher war, wo ich eigentlich stand. Oder vielleicht war das einfach das Bier vom Nachmittag, das jetzt langsam auf den Wein traf.

„Weißt du, was das Problem ist?“ Maries Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Sie stand plötzlich wieder, das leere Glas in der Hand, ihre Bewegungen fließend wie immer. „Du denkst zu viel darüber nach, wie langweilig du bist. Du bist so damit beschäftigt, langweilig zu sein, dass du vergisst, dass du auch anders sein könntest.“

„Das klingt wie eine Zeile aus einem schlechten Selbsthilfebuch.“

„Vielleicht. Aber das heißt nicht, dass es nicht stimmt.“ Sie verschwand in der Küche, und ich hörte, wie sie die Flasche suchte, den Korken zog, das Gluckern des Weins. Ich blieb, wo ich war, und ließ meinen Kopf gegen die Rückenlehne fallen. Die Zigarette war fast heruntergebrannt, und ich drückte sie in den Aschenbecher auf dem Tisch.

Als sie zurückkam, hielt sie die Flasche in der einen, ihr Glas in der anderen Hand. Sie reichte mir die Flasche, setzte sich dann wieder, die Decke jetzt enger um sich gewickelt.

„Erzähl mir eine Geschichte“, sagte sie. Ihre Stimme war leiser, fast ein wenig heiser, und ich sah, dass sie mich ansah, wirklich ansah, nicht nur dieses flüchtige Blitzen von Interesse, sondern tiefer, wie jemand, der gerade entschied, ob er einen Schritt nach vorne oder zurück machen sollte.

Ich wollte etwas sagen, irgendeinen Witz machen, um die Spannung zu brechen, aber stattdessen hörte ich mich murmeln: „Ich weiß nicht, wie meine Geschichte endet.“

Marie lächelte, ein echtes, warmes Lächeln, und lehnte sich zurück. „Das ist das Beste daran.“

made by Xbyte jade heilstein einfach schnell gesund kochen einfach schnell gesund vegan Tierkommunikation