As Time Goes By

Der verlorene Schirm

Es regnet. Nicht so ein sanftes Tröpfeln, das man mit hochgezogenen Schultern noch irgendwie ignorieren kann. Nein, es schüttet, als hätte jemand da oben alle Wasserhähne gleichzeitig aufgedreht. Ich stehe im Eingang eines Cafés und starre auf die graue Wand aus Wasser vor mir. Die Pfützen auf dem Asphalt werden zu kleinen Seen, in denen sich die Neonlichter der gegenüberliegenden Geschäfte spiegeln. Mein Schirm. Wo zum Teufel ist mein Schirm?

Ich taste meine Jackentaschen ab, obwohl ich genau weiß, dass er da nicht sein kann. Es war dieser neue, teure Regenschirm mit dem Holzgriff, den mir meine Schwester zum Geburtstag geschenkt hat. „Damit du endlich nicht mehr wie ein begossener Pudel nach Hause kommst“, hat sie gesagt und gelacht. Jetzt stehe ich hier, kurz davor, genau zu diesem begossenen Pudel zu werden.

Die Kellnerin hinter mir wischt einen Tisch ab und wirft mir einen mitleidigen Blick zu. „Vergessen?“, fragt sie und nickt in Richtung des Regens.

„Verloren“, antworte ich und zucke mit den Schultern. „Oder irgendwo liegen lassen. Keine Ahnung.“

Sie lächelt kurz, dann wendet sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Ich überlege. Wo könnte ich den Schirm zuletzt gehabt haben? Im Bus? In der Bibliothek? Bei diesem kleinen Antiquitätenladen, in dem ich heute Vormittag war?

Der Regen wird nicht schwächer, und meine Wohnung ist mindestens zwanzig Minuten entfernt. Mist. Ich hole mein Handy raus und scrolle durch die letzten Fotos, als könnte ich dort einen Hinweis finden. Da – ein Bild vom Inneren des Antiquitätenladens, dieses seltsame ausgestopfte Eichhörnchen mit Zylinder, das ich fotografiert habe, weil es so absurd aussah. Und am Rand des Bildes: der Schirmgriff, angelehnt an einen Stuhl.

Ich fluche leise. Der Laden müsste noch offen sein, wenn ich mich beeile. Ich ziehe mir die Kapuze meiner Jacke über den Kopf, atme tief ein und springe in den Regen.

Das Wasser ist kalt und dringt sofort durch den Stoff meiner Jeans. Innerhalb von Sekunden bin ich durchnässt, aber ich renne weiter. Die Straßen sind fast leer, nur vereinzelt huschen Gestalten unter Regenschirmen vorbei, manche werfen mir verwunderte Blicke zu. An einer Kreuzung rutsche ich fast aus, fange mich aber noch an einem Laternenpfahl.

Nach fünf Minuten Dauerlauf erreiche ich die kleine Seitenstraße, in der der Antiquitätenladen liegt. Das Schaufenster ist noch beleuchtet, ein schwaches, gelbliches Licht, das die seltsamen Gegenstände darin in gespenstische Schatten taucht. Ich stoße die Tür auf, eine kleine Glocke klingelt.

Der Geruch trifft mich sofort – eine Mischung aus altem Holz, Staub und etwas Süßlichem, das ich nicht zuordnen kann. Der Laden ist vollgestopft mit Regalen, auf denen sich allerhand Krimskrams stapelt: vergilbte Bücher, Porzellanfiguren, alte Schallplatten, Schmuck. Zwischen den Regalen stehen größere Möbelstücke, Lampen, ausgestopfte Tiere. Es ist still, nur das Ticken einer alten Standuhr irgendwo in einer Ecke ist zu hören.

„Hallo?“, rufe ich in den Raum hinein. Keine Antwort. Ich gehe weiter hinein, das Wasser von meiner Kleidung tropft auf den abgenutzten Holzboden. Wo war dieser Stuhl noch mal? Ich versuche, mich zu orientieren, aber der Laden wirkt jetzt anders als am Vormittag. Waren diese Regale schon hier? Stand diese groteske Bronzefigur nicht woanders?

„Kann ich Ihnen helfen?“, ertönt plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich drehe mich erschrocken um.

Ein Mann steht dort, alt, aber nicht gebrechlich, mit dichtem weißen Haar und einer randlosen Brille. Er trägt einen altmodischen Anzug, der ihm etwas zu groß scheint. Sein Gesicht ist voller Falten, aber seine Augen sind wach und klar.

„Ich… ich habe heute Vormittag meinen Regenschirm hier vergessen“, sage ich und wische mir das Regenwasser aus dem Gesicht. „Einen schwarzen, mit Holzgriff.“

Der Mann betrachtet mich einen Moment lang mit unergründlichem Gesichtsausdruck. Dann lächelt er plötzlich, und seine ganze Erscheinung wirkt mit einem Mal viel freundlicher.

„Ah, der Schirm. Ja, den haben Sie in der Tat hier gelassen.“ Er wendet sich um und geht zwischen den Regalen hindurch. Ich folge ihm, muss mich dabei um einen ausgestopften Pfau herumschlängeln, der mitten im Weg steht.

Wir erreichen eine kleine Nische im hinteren Teil des Ladens. Dort steht ein niedriger Tisch mit einer gläsernen Vitrine, in der verschiedene Uhren und Schmuckstücke ausgestellt sind. Daneben ein Stuhl – derselbe, an den ich meinen Schirm gelehnt hatte. Aber vom Schirm keine Spur.

„Er war genau hier“, murmelt der Mann und kratzt sich am Kinn. „Seltsam.“

„Sind Sie sicher? Vielleicht hat ihn jemand mitgenommen?“, frage ich und spüre, wie Enttäuschung in mir aufsteigt. Da ist er also hin, der Geburtstagsschirm.

„Nein, nein“, sagt der Mann bestimmt. „Sie waren der letzte Kunde heute. Niemand sonst war hier.“ Er blickt sich um, als könnte der Schirm plötzlich wieder auftauchen. Dann geht er zu einem der Regale und schiebt ein paar Bücher beiseite. „Ah, hier ist er ja!“

Er zieht meinen Schirm hervor, aber… es ist nicht mein Schirm. Dieser hier ist ebenfalls schwarz, hat auch einen Holzgriff, aber der Griff ist anders geformt, gedrechselt mit einer seltsamen Schnitzerei, die aussieht wie ein Auge.

„Das ist nicht meiner“, sage ich und trete näher, um das seltsame Stück zu betrachten. „Meiner hatte einen glatten Griff, ohne Verzierungen.“

Der Mann runzelt die Stirn und dreht den Schirm in seinen Händen. „Seltsam“ sagt er wieder. „Ich bin mir sicher, dass dies der einzige Schirm ist, der heute hier zurückgelassen wurde.“ Er hält ihn mir hin. „Vielleicht erinnern Sie sich nicht richtig?“

Ich zögere. Es ist definitiv nicht mein Schirm, aber es regnet immer noch in Strömen, und besser als nichts ist er allemal.

„Was kostet er?“, frage ich schließlich.

Der Mann lacht leise. „Nichts. Er wurde hier zurückgelassen, genau wie Ihrer. Nehmen Sie ihn, bitte. Betrachten Sie es als Ausgleich für Ihren Verlust.“

Ich nehme den Schirm entgegen. Er ist schwerer als erwartet, der Holzgriff fühlt sich seltsam warm an in meiner Hand. „Danke“, sage ich. „Das ist sehr freundlich.“

Der Mann nickt nur und beginnt dann, mich sanft in Richtung Ausgang zu dirigieren. „Der Regen wird bald nachlassen“, sagt er, obwohl er unmöglich wissen kann, ob das stimmt. „Gehen Sie nach Hause und trocknen Sie sich ab, bevor Sie sich erkälten.“

Bevor ich noch etwas erwidern kann, stehe ich wieder auf der Straße, die Türglocke klingelt ein letztes Mal hinter mir. Der Regen prasselt immer noch nieder. Ich öffne den fremden Schirm und halte ihn über meinen Kopf. Es ist ein großes, stabiles Modell, das mich gut vor dem Regen schützt. Als ich losgehe, fällt mir auf, dass die Leute auf der Straße mich seltsam anschauen. Nicht nur flüchtige Blicke, sondern richtige Starrerei. Ein Mann bleibt sogar stehen und zeigt mit dem Finger auf mich, oder genauer gesagt, auf den Schirm über mir.

Ich blicke nach oben und sehe… nichts Ungewöhnliches. Ein schwarzer Schirm mit diesem merkwürdigen Griff. Was ist daran so interessant?

An einer Ampel steht eine ältere Frau neben mir. Sie trägt einen durchsichtigen Regenschutz über ihrem grauen Haar und mustert mich von der Seite.

„Entschuldigung“, sage ich schließlich, als ihr Starren zu aufdringlich wird. „Stimmt etwas nicht mit meinem Schirm?“

Sie zuckt zusammen, als hätte ich sie bei etwas Verbotenem ertappt. „Oh, nein, nein“, sagt sie hastig. „Es ist nur… es regnet nicht mehr.“

Ich blinzle verwirrt und schaue nach oben. Tatsächlich – kein Regen mehr. Der Himmel ist immer noch bewölkt, aber die Tropfen haben aufgehört zu fallen. Überall um mich herum klappen die Leute ihre Schirme zu, nur ich stehe hier mit einem geöffneten Schirm. Kein Wunder, dass ich Blicke auf mich ziehe.

Ich will den Schirm zuklappen, aber der Mechanismus klemmt. Ich drücke fester auf den Knopf, nichts passiert. Dann greife ich nach dem Gestell und versuche, es manuell zusammenzuschieben, aber es rührt sich nicht. Der Schirm bleibt störrisch geöffnet.

„Verdammtes Ding“, murmle ich und kämpfe weiter damit. Die Ampel wird grün, die Frau geht kopfschüttelnd weiter.

Plötzlich spüre ich wieder Tropfen auf meinem Gesicht. Hat es wieder angefangen zu regnen? Ich schaue nach oben – der Himmel ist jetzt klar, ein tiefes Blau, keine Wolke weit und breit. Und trotzdem – es regnet. Aber nur unter meinem Schirm.

Ich trete einen Schritt zur Seite, weg von dem Schirm, und sofort hören die Tropfen auf. Die Sonne scheint, die Straße ist fast trocken, als hätte es nie geregnet. Nur das kleine Stück Bürgersteig unter meinem Schirm ist dunkel und nass.

Mit wachsender Faszination und einem Anflug von Unbehagen trete ich wieder unter den Schirm. Sofort beginnt es wieder zu regnen, nur für mich, ein privater kleiner Regenschauer. Das Wasser fühlt sich real an, kühl auf meiner Haut, und doch – es ist unmöglich.

Ich beschließe, zum Antiquitätenladen zurückzukehren und den alten Mann zu fragen, was es mit diesem Schirm auf sich hat. Aber als ich in die kleine Seitenstraße einbiege, ist der Laden verschwunden. An seiner Stelle befindet sich ein verlassenes Gebäude mit vernagelten Fenstern und einer Tür, die mit Brettern verriegelt ist. Die Fassade ist mit Graffiti übersät, und ein Schild warnt: „Betreten verboten. Einsturzgefahr.“

Ich stehe da, unter meinem unmöglichen Schirm, aus dem es immer noch regnet, und starre auf die Stelle, an der vor wenigen Minuten noch der Laden war. Bin ich verrückt geworden? Habe ich mir den Laden, den alten Mann, den ganzen Austausch nur eingebildet?

Nein, der Schirm ist real. Ich halte ihn in der Hand, spüre sein Gewicht, das Holz des Griffs, das Wasser, das auf mich herabtropft.

Ein Stadtstreicher sitzt auf einer Bank in der Nähe und beobachtet mich. Er hat einen langen, verfilzten Bart und trägt mehrere Schichten abgetragener Kleidung. Als unsere Blicke sich treffen, hebt er anerkennend den Daumen.

„Schöner Schirm“, ruft er mir zu. „Haben Sie ihn vom Alten bekommen?“

Ich gehe zu ihm hinüber, immer noch berieselt von meinem privaten Regenschauer. „Sie kennen den alten Mann? Mit der Brille und dem zu großen Anzug?“

Der Stadtstreicher lacht, ein raues, rostiges Geräusch. „Natürlich. Jeder kennt ihn.“ Er klopft neben sich auf die Bank. „Setzen Sie sich, wenn Sie mögen. Ihr Schirm stört mich nicht.“

Ich setze mich zögernd neben ihn. Der Regen unter meinem Schirm hört plötzlich auf. Stattdessen beginnt es zu schneien. Winzige Schneeflocken tanzen um mich herum, landen auf meinen Schultern, schmelzen auf meiner Haut.

„Das ist nicht normal“, sage ich und starre nach oben in das Innere des Schirms, aus dem nun Schneeflocken rieseln.

„Natürlich nicht“, bestätigt der Stadtstreicher unbeeindruckt. „Es ist ein Traumschirm.“

„Ein was?“

„Ein Traumschirm. Er zeigt dir das Wetter deiner Träume, nicht das der realen Welt.“ Er greift hinüber und berührt vorsichtig den Schirmstoff. Sofort verwandeln sich die Schneeflocken in einen Sturm aus Blütenblättern, rosa und weiß, die um uns herum wirbeln. „Siehst du? Kirschblüten. Ich träume oft davon, in Japan zu sein, zur Zeit der Kirschblüte.“

Ich bin sprachlos. Blütenblätter landen in meinem Haar, auf meinen Schultern, auf dem Bürgersteig um uns herum. Sie sind zart und duftend, absolut real.

„Wie ist das möglich?“, flüstere ich.

Der Stadtstreicher zuckt mit den Schultern. „Magie? Ein Wunder? Wer weiß das schon.“ Er lehnt sich zurück und genießt sichtlich den Blütenregen. „Der Alte gibt die Schirme nur an bestimmte Leute weiter. Solche, die etwas Farbe in ihrem Leben brauchen können.“

„Und was soll ich jetzt damit machen?“

Er sieht mich an, als hätte ich eine sehr dumme Frage gestellt. „Damit leben, natürlich. Ihm eine Chance geben.“ Dann steht er auf, klopft sich ein paar Blütenblätter von der Kleidung und nickt mir zu. „Viel Glück. Und vergessen Sie nicht – es ist Ihr Traum, nicht seiner. Sie bestimmen das Wetter.“

Damit geht er davon, lässt mich allein auf der Bank zurück, umgeben von einem Wirbel aus Kirschblüten.

Ich bestimme das Wetter? Was soll das heißen? Ich schaue wieder nach oben in den Schirm und konzentriere mich. Sonnenschein, denke ich. Warmer, goldener Sonnenschein.

Die Blütenblätter verschwinden. Stattdessen beginnt ein warmes, goldenes Licht aus dem Inneren des Schirms zu strahlen, so intensiv, dass ich blinzeln muss. Es fühlt sich an wie der perfekte Sommertag, diese besondere Art von Licht, die alles mit einem Hauch von Gold überzieht.

Ich lache laut auf. Das ist unglaublich! Ich schließe die Augen und denke an einen lauen Sommerabend mit einer sanften Brise. Sofort ändert sich die Atmosphäre um mich herum. Die goldene Wärme wird milder, und ein sanfter Wind spielt mit meinem Haar, bringt den Duft von frisch gemähtem Gras und fernem Grillen mit sich.

Ohne zu überlegen, stehe ich auf und beginne zu laufen, der Schirm immer über mir. Ich renne durch die Straßen, während sich mein privates Wetter ständig ändert. Ein Regenbogen spannt sich über mir. Dann ein Gewitter, das nur über mir donnert, mit Blitzen, die im Inneren des Schirms zucken, aber völlig harmlos sind. Ein sanfter Nieselregen. Morgentau. Nebelschwaden. Ich probiere alles aus, und der Schirm gehorcht jedem meiner Gedanken.

Die Leute weichen mir aus, starren, zeigen mit dem Finger auf mich. Ich kümmere mich nicht darum. Zum ersten Mal seit langem fühle ich mich vollkommen lebendig, vollkommen präsent.

Irgendwann finde ich mich in einem kleinen Park wieder, außer Atem, aber glücklich. Ich setze mich auf eine Bank und lasse den Schirm ein sanftes Abendlicht erzeugen, warm und golden, mit langen Schatten. Es ist beruhigend, wie das Licht kurz vor Sonnenuntergang.

Eine Frau setzt sich neben mich. Sie trägt ein einfaches blaues Kleid und hat ihr Haar zu einem lockeren Knoten hochgesteckt. Sie schaut nicht zu mir, sondern geradeaus auf den kleinen Teich vor uns.

„Ein Traumschirm“, sagt sie leise. „Ich hatte auch mal einen.“

Ich sehe sie überrascht an. „Wirklich? Was ist damit passiert?“

Sie lächelt, ein wenig traurig. „Ich habe ihn weitergegeben. So funktionieren die Schirme – man behält sie nur für eine Weile, dann findet man jemanden, der ihn mehr braucht als man selbst.“

„Woher weiß ich, wann es Zeit ist, ihn weiterzugeben?“

Sie dreht sich zu mir und betrachtet mich eingehend. Ihr Blick ist sanft, aber durchdringend. „Das wirst du spüren. Eines Tages wirst du jemandem begegnen, und du wirst einfach wissen, dass der Schirm für diese Person bestimmt ist.“

„Und wenn ich ihn behalten will?“

Sie lacht, ein helles, klares Geräusch. „Das kannst du versuchen. Aber der Schirm hat seinen eigenen Willen. Er wird dich verlassen, wenn du ihn zu lange behältst.“

Ich betrachte den Schirm in meiner Hand. Der geschnitzte Griff mit dem Augenmotiv scheint mich anzusehen. „Was ist der Sinn dahinter?“, frage ich. „Warum gibt der alte Mann diese magischen Schirme weiter?“

Die Frau zuckt mit den Schultern. „Wer weiß? Vielleicht will er die Welt ein bisschen magischer machen, ein Traum nach dem anderen.“ Sie steht auf und streicht ihr Kleid glatt. „Genieß deinen Schirm. Und vergiss nicht – der beste Teil eines Traums ist, ihn zu teilen.“

Sie geht davon, ihre Gestalt verschwimmt im goldenen Abendlicht meines Schirms. Ich bleibe zurück, mit einem magischen Regenschirm und dem Gefühl, dass mein Leben gerade eine unerwartete Wendung genommen hat.

In den nächsten Tagen nehme ich den Schirm überall mit hin. Ich experimentiere mit allen möglichen Wetterphänomenen – Morgennebel, der zwischen Hochhäusern wabert; ein sanfter Schneefall, der meine Schritte dämpft; ein erfrischender Sommerregen, der meine Haut kühlt, während die Sonne auf den Asphalt brennt. Der Schirm wird zu meinem ständigen Begleiter, meinem privaten kleinen Stück Magie in einer sonst so rationalen Welt.

Manchmal bemerke ich, dass der Schirm auch ohne mein bewusstes Zutun das Wetter ändert, als würde er auf meine Stimmungen reagieren. An einem besonders stressigen Arbeitstag beginnt es unter dem Schirm zu hageln, kleine Eiskügelchen, die auf meinen Schreibtisch prallen. Als ich mich mit einem alten Freund treffe und wir über gemeinsame Erinnerungen lachen, erscheint ein doppelter Regenbogen, der sich von einer Seite des Schirms zur anderen spannt.

Die Leute gewöhnen sich allmählich an meinen seltsamen Schirm. Kollegen bitten mich, ihnen einen Schneesturm zu zeigen oder einen tropischen Regenguss. Kinder folgen mir auf der Straße und betteln, unter meinem „Zauberschirm“ stehen zu dürfen.

Eines Abends sitze ich in einem kleinen Café, der geöffnete Schirm neben mir an die Wand gelehnt. Aus seinem Inneren rieselt ein sanfter, warmer Regen, der auf dem Boden eine kleine Pfütze bildet. Die anderen Gäste haben sich längst daran gewöhnt und werfen nur gelegentlich neugierige Blicke herüber.

Eine Frau betritt das Café. Sie ist durchnässt vom Regen draußen, ihre Haare kleben an ihrem Gesicht, ihre Jacke trieft. Sie sieht erschöpft aus, niedergeschlagen. Als sie an meinem Tisch vorbeigeht, fällt ihr Blick auf meinen Schirm und den warmen Regen, der daraus hervorquillt. Sie bleibt stehen, fasziniert.

Ohne nachzudenken, greife ich nach dem Schirm und halte ihn ihr hin. „Hier“, sage ich. „Ich glaube, Sie können ihn besser gebrauchen als ich.“

Sie zögert, verwirrt über mein Angebot. „Ihren Schirm? Aber es regnet doch…“

„Vertrauen Sie mir“, sage ich lächelnd. „Es ist ein besonderer Schirm. Er wird Ihnen gefallen.“

Zögernd nimmt sie ihn entgegen. Sofort ändert sich das Wetter unter dem Schirm – der warme Regen verschwindet, stattdessen bricht ein strahlend blauer Himmel hervor, mit weichen, weißen Wolken, die langsam vorbeiziehen. Sie keucht überrascht auf.

„Was ist das?“, flüstert sie, den Blick nach oben gerichtet.

„Ein Traumschirm“, antworte ich und spüre, wie richtig sich das anfühlt, ihn weiterzugeben. „Er zeigt das Wetter Ihrer Träume.“

Sie lächelt, zum ersten Mal seit sie das Café betreten hat, und in diesem Moment weiß ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Der Schirm gehört jetzt ihr.

Ich trete hinaus in den Regen, ohne Schutz, und lasse die Tropfen auf mein Gesicht fallen. Es fühlt sich gut an, befreiend. Irgendwo in dieser Stadt gibt es einen alten Mann in einem zu großen Anzug, der vielleicht schon den nächsten Traumschirm für jemanden bereithält. Vielleicht auch für mich, irgendwann. Bis dahin genieße ich den echten Regen, das echte Wetter, und die Erinnerung an meine Zeit mit dem magischen Schirm.

Als ich nach Hause gehe, bemerke ich etwas in meiner Jackentasche – meinen ursprünglichen Regenschirm, den mit dem glatten Holzgriff, den meine Schwester mir geschenkt hat. Er muss die ganze Zeit dort gewesen sein.

Ich lache laut auf, mitten im Regen stehend, und fühle mich wie in einem Traum. Einem sehr guten Traum.

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