
Es war dieser Schnee, der einen verschluckte, wie Watte in den Ohren, aber ohne die Wärme. Du trittst hinaus, und es ist, als hätte die Welt beschlossen, alles auf stumm zu schalten, als wären die Geräusche irgendwo anders, nicht hier, wo alles Weiß und Kälte ist. Ich zog die Jacke enger um mich, der Reißverschluss klemmte an der Stelle, an der er immer klemmte, und ich dachte kurz daran, sie einfach offenzulassen. Dann blies der Wind mir die Idee aus dem Kopf, so wie er alles aus dem Kopf bläst, außer „Kalt. Weitergehen. Kalt.“
Die Hütte lag ein Stück weiter unten im Tal. Kein richtiges Tal, mehr eine Senke zwischen zwei Hängen, die sich wie die Seiten eines zerrissenen Buchs aufbäumten. Der Himmel war milchig, eine dieser diffusen Beleuchtungen, bei der du nicht genau sagen kannst, ob es Tag ist oder Nacht.
Ich balancierte den Sack Holz auf der Schulter, die Stiefel knirschten im Schnee, und die Gedanken kamen wie immer in solchen Momenten – abgehackt, formlos, kaum zu greifen. Es war dieses monotone Geräusch meiner Schritte, das mich in eine Art Trance versetzte. Oder vielleicht war es die Kälte, die langsam unter die Jacke kroch und meinen Rücken hochkletterte wie ein unangenehmes Tier, das sich einen Platz sucht.
Die Hütte war alt, aber nicht im romantischen Sinne. Keine urigen Balken, keine gemütlichen Ecken, nur ein bisschen Holz, das mit Nägeln und viel Optimismus zusammengehalten wurde. Die Fenster waren schief, und die Tür klemmte so sehr, dass man sie fast eintreten musste, um reinzukommen. Ich hasste sie, diese Tür. Sie war ein ständiger Kampf, und ich war immer der Verlierer.
„Das dauert aber“, hörte ich, kaum dass ich drin war. Ihre Stimme war gedämpft, wie durch einen Filter aus Rauch und Müdigkeit, und sie klang genauso, wie sie sich fühlte – genervt, aber nicht genug, um wirklich etwas zu ändern.
„Holz ist schwer“, sagte ich, mehr zu mir selbst als zu ihr, während ich den Sack abstellte. Er kippte um, ein paar Scheite rollten über den Boden und blieben unter dem Tisch liegen. Ich ließ sie da.
Sie saß am Ofen, der Mantel immer noch an, obwohl es drinnen wärmer war. Vielleicht war es auch nur eine Illusion von Wärme, eine, die der Ofen uns beiden vorgaukelte, während er mit letzter Kraft ein paar Funken in die Luft spuckte. Sie hielt eine Tasse Tee in der Hand, aber ich wusste, dass sie ihn nicht trinken würde. Er war nur ein Vorwand, eine Ausrede, die Hände beschäftigt zu halten, während der Rest von ihr irgendwo anders war.
„Hat’s aufgehört zu schneien?“ fragte sie, ohne den Blick von den Flammen zu nehmen.
„Nein.“
„Natürlich nicht.“
Ich ging zum Fenster, wischte mit der Hand über das Glas, das mehr Eis als Fenster war, und starrte raus. Nichts als Weiß, das sich in alle Richtungen zog, bis es mit dem Himmel verschmolz.
„Wir könnten morgen los“, sagte ich.
„Wohin denn?“
„Runter ins Dorf. Vielleicht haben sie da noch was, ein paar Konserven oder so.“
Sie lachte, ein kurzes, trockenes Lachen, das im Raum hängen blieb wie der Rauch vom Ofen. „Und wenn nicht?“
„Dann halt nicht.“
Das war unser Rhythmus geworden: Fragen ohne Antworten, Sätze ohne Ziel. Es war, als hätten wir beide längst beschlossen, dass Reden keine Lösung brachte, aber wir sprachen trotzdem, aus Gewohnheit vielleicht, oder aus Angst vor der Stille.
Der Wind schlug gegen die Fenster, ein dumpfes Heulen, das durch die Ritzen der Hütte kroch und den Boden unter meinen Füßen zum Zittern brachte. Ich zog den Mantel aus, warf ihn auf den Stuhl neben der Tür und setzte mich.
„Hast du noch was von dem Eintopf?“
„Vielleicht.“
„Was heißt das?“
„Schau nach.“
Ich stand nicht auf. Der Hunger war da, ja, aber nicht stark genug, um die Müdigkeit zu überstimmen, die sich wie Blei in meinen Beinen festgesetzt hatte. Ich starrte auf den Ofen, die Flammen tanzten hektisch, als wüssten sie nicht, wie lange sie noch bleiben dürften.
„Es ist schon spät“, sagte sie plötzlich, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
„Zu spät für was?“
„Für alles.“
Ich sah sie an. Ihr Gesicht war schmaler geworden in den letzten Wochen, die Augen tiefer, die Haut blasser. Es war, als hätte der Winter sie von innen heraus ausgehöhlt, wie er es mit der Hütte getan hatte.
„Vielleicht hört’s morgen auf zu schneien“, sagte ich.
„Vielleicht.“
Aber wir beide wussten, dass es nicht so war. Der Schnee würde weitermachen, genauso wie der Wind, genauso wie diese Kälte, die nicht nur draußen war, sondern in uns, in der Hütte, in allem.
Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen. Der Geruch von brennendem Holz, von Tee, der nie getrunken wurde, und von Schnee, der durch die Ritzen drang, mischte sich zu einem seltsamen Parfum, das ich gleichzeitig liebte und hasste.
Draußen krachte etwas, ein dumpfes Geräusch, das uns beide aufschrecken ließ. Sie sah mich an, und für einen Moment war da etwas in ihren Augen, etwas, das wie Angst aussah, aber vielleicht auch nur Erschöpfung war.
„Was war das?“ fragte sie.
„Keine Ahnung.“
Ich stand auf, ging zur Tür, zog den Mantel wieder an. Der Reißverschluss klemmte. Natürlich.
„Bleib hier“, sagte ich.
Sie nickte, aber ich wusste, dass sie nicht bleiben würde, wenn es wirklich etwas war.
Draußen war die Luft klar, so klar, dass sie schmerzte, wenn man sie einatmete. Ich konnte nichts sehen, nichts hören außer dem Knirschen meiner eigenen Schritte und dem Pfeifen des Windes.
Dann, plötzlich, ein Schatten. Nur für einen Moment, am Rand meines Blickfelds, aber er war da. Ich drehte mich um, die Hände in den Taschen, mehr aus Gewohnheit als aus Kälte.
„Ist jemand da?“
Keine Antwort.
Nur der Schnee, der fiel, langsam, unerbittlich, wie immer.