As Time Goes By

Die Zeit verliert sich

Die Nacht begann wie ein unterbrochener Herzschlag. Kein Blitz, kein Donner, nur das monotone Dröhnen der Klimaanlage irgendwo im Rücken meiner Gedanken, das Summen einer Maschine, die niemand mehr wartet. Ich stand da – oder saß ich? –, irgendwo zwischen verregneten Straßenzügen, die vor Verfall strotzten, und der kalten Unbeweglichkeit einer leeren Flasche in meiner Hand. Die Stadt selbst schien in Zeitlupe zu atmen, schwerfällig und giftig, als hätte sie sich selbst aus ihrem eigenen Mief herausgeboren, nur um sofort wieder zu sterben. Die Lichter flackerten wie Signale einer Sprache, die niemand mehr spricht, und ich fragte mich – nicht zum ersten Mal –, ob ich jemals wach war. Oder lebendig. Oder echt.

Ein zerknittertes Werbeplakat flatterte an einer Wand, halb abgerissen, halb vergessen. „Echtheit ist ein Gefühl“, stand darauf. Der Rest des Slogans war durch einen braunen Wasserfleck unlesbar geworden. Ich konnte nicht entscheiden, ob das ein Marketing-Gag war oder ein Stück zynischer Philosophie, aber es hatte etwas Verstörendes. Echtheit. Als wäre sie ein Produkt, ein Wunsch, ein Verkaufsargument. Kann man ein Gefühl überhaupt kaufen? Einatmen wie Parfüm? Oder ist das alles nur Verpackung, Plastik um ein Vakuum, in dem wir uns selbst verlieren?

Meine Schritte, rhythmisch und schwer, prallten von den Fassaden wieder, während die Schatten um mich her zitterten. Es war nicht dunkel, nicht hell, sondern ein Zwielicht, das alles enthüllte und doch nichts preisgab. Die Wände waren mit Graffiti bedeckt, scharfe Farben, wütende Buchstaben, die sich ineinander verschlangen: „WER SIND WIR?“ stand da, groß, drohend, und darunter kleiner, fast wie eine Fußnote: „…und wenn ja, warum?“ Ich lachte, laut und unpassend, und meine Stimme zerbrach an der Kälte der Nacht. Warum? Warum nicht?

Ich bog um eine Ecke, und plötzlich schien die Welt still zu stehen. Vor mir, auf der Straße, lag eine Plastiktüte, die im Wind zitterte wie ein lebendiges Wesen. Sie bewegte sich, taumelnd und hilflos, und ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden. Sie erinnerte mich an ein Tier, ein verletztes, verlorenes Ding, das nie wusste, warum es geboren wurde. Und da war sie wieder, diese brennende Sorge, dieser bohrende Gedanke, der wie ein Parasit in meinem Kopf nistete: Was, wenn wir alle nur das sind? Hüllen, bewegt von Kräften, die wir nicht verstehen, ziellos durch einen Raum geworfen, der uns nichts schuldet?

Hinter mir knirschten Schritte auf dem Asphalt. Ich drehte mich nicht um; ich wusste, da war niemand. Es waren meine eigenen Gedanken, die mich verfolgten, mit schweren Schuhen und einem Lächeln, das ich nicht sehen konnte. „Du bist nicht echt“, flüsterte eine Stimme, die so vertraut war, dass ich sie nicht erkannte. Vielleicht war es meine eigene. Vielleicht war es die Stadt. Ich zog meinen Mantel enger um mich, ein Reflex, der nichts mit Wärme zu tun hatte, und ging weiter.

Die Zeit verlor sich, während ich mich durch das Labyrinth der Straßen schleppte. Minuten dehnten sich zu Stunden, Stunden stürzten ineinander wie Kartenhäuser. Ich konnte nicht sagen, ob die Uhr stehen geblieben war oder ob ich es war. Vor einem Fenster blieb ich stehen, mein eigenes Spiegelbild betrachtend. Der Mensch, der mich ansah, trug mein Gesicht, aber seine Augen waren leer. Sie sahen durch mich hindurch, als wäre ich ein Geist, ein Nichts. Es war ein Moment solcher Klarheit, dass er fast schmerzhaft war: Ich bin nichts. Wir sind nichts.

Und doch… war da etwas. Ein Funken, eine Ahnung. Vielleicht Hoffnung, vielleicht Täuschung, aber es war da, ungreifbar und doch real. Ein Gedanke, der sich nicht in Worte fassen ließ, eine Frage ohne Antwort. Ich blinzelte, und mein Spiegelbild verschwand. Es war nur Glas, nur Licht, nur Staub.

Am Ende der Straße flackerte ein Neonschild. Ich folgte ihm, wie ein Insekt dem Licht folgt, ziellos und doch getrieben. Drinnen roch es nach abgestandenem Kaffee und billigen Desinfektionsmitteln. Die Regale waren vollgestopft mit Dingen, die niemand brauchte: Plastikspielzeug, Süßigkeiten, Dosenbier. Ein Mann mit eingefallenem Gesicht stand hinter der Kasse und sah mich an, als wäre ich ein Gespenst. Vielleicht war ich das. Vielleicht war er es. „Kann ich Ihnen helfen?“ fragte er mit einer Stimme, die wie zerbrochenes Glas klang. Ich schüttelte den Kopf, nahm eine Packung Kaugummi und legte sie auf den Tresen. Es war eine Geste, eine Interaktion, die keine Bedeutung hatte. Aber es war etwas.

Draußen war die Nacht noch immer dieselbe, kalt und unendlich. Der Wind hatte die Plastiktüte fortgetragen, und ich fühlte eine seltsame Leere, wo sie gewesen war. Mein Blick wanderte über die Stadt, über die Ruinen unserer Existenz, und ich dachte: Vielleicht sind wir genau das. Schatten, Fragmente, Reflexionen von etwas, das nie ganz war. Aber vielleicht – und das war der Gedanke, der mich am meisten quälte – vielleicht reicht das.

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